St. Ruprecht

St. Ruprecht wurde der Legende nach auf der Fläche des ehemaligen römischen Legionslager Vindobona von den Missionaren Cunald und Gisalrich, Gefährten Ruperts aus Salzburg, im Jahr 740 gegründet, wie uns das erste Mal 1546 Wolfang Lazius in seiner Geschichte Wiens („Vienna Austriae“) berichtet.

Bischof Rupert kam wahrscheinlich um 695 mit seinen Gefährten von Worms nach Bayern, wo er bis ca. 715 in Salzburg wirkte. Sein Wirken beschränkte sich auf das Gebiet westlich der Enns, bis er im Frühjahr 716 in Worms starb. Seine Gebeine wurden von Cunald und Gisalrich oder Bonifatius in der Gruft des Salzburger Doms beigesetzt, wodurch er auch zum Schutzpatron der Erzdiozöse Salzburg wurde. Als Schutzpatron der Salzschiffer wird er auch mit einem Salzfass dargestellt. Da Salzburg nur zwischen 796 und 828/829 Einfluss im Wiener Raum hatte, ehe die Missionstätigkeit dort Passau übertragen wurde, ist die Gründung von St. Ruprecht in dieser Zeit zu vermuten.

Eine andere Hypothese setzt die Vertreibung der 907 in Österreich eingefallenen und zur Jahrtausendwende christianisierten Ungarn um 1000 mit der Gründung der Kirche, der „Wiener Pfarre“, von Salzburg aus zu Ehren des hl. Ruperts an.

Eine erhaltene Textstelle aus Jansen Enenkels Fürstenbuch (13. Jh.) „sît nach des heidens tôt / als ez der liebe got gebôt… und war gewîht alsô hêre / in sant Ruoprehtes êre / als si noch hiute ist bekant / zu Wienne sie diu pharr wart genant.“(110) kann auf beide Ansätze anspielen, da bis 796 auch die Awaren das Land beherrschten.

1147 verlor St. Ruprecht die Funktion der Pfarrkirche zugunsten der neuen Wiener Pfarrkirche St. Stephan. Eine Schenkungsbestätigung im Jahr 1200 durch Herzog Leopold VI (erstmalig erfolgt zwischen 1155 und 1177 durch Heinrich II.) stellt St. Ruprecht unter die Betreuung des Schottenklosters, welche auch 400 Jahre lang andauerte. In St. Ruprecht durfte durch die Schotten ab 1269 nur Seelsorge betrieben werden, jedoch keine Taufen oder Begräbnisse vorgenommen werden. Der Friedhof um die Kirche wurde damit verbunden aufgelassen, bis mindestens 1374 blieb allerdings die Bezeichnung „Ruprechtsfreithof“ erhalten.

1544 übernahm Ferdinand I. das Patronat über St. Ruprecht, das Kaplanhaus wurde verkauft und Privatpersonen übernahmen die Aufsicht und Erhaltung der Kirche. 1581 ging diese Aufgabe an das Salzamt über.

Die Bruderschaft der Salzschiffer hatte in St. Ruprecht ihren Sitz – das Entladen ihrer Ware fand am Salzgrieß statt. 1596 stellten sie einen – abgelehnten – Antrag an den Kaiser, die „unnütze“ Kirche als Salzlager zu verwenden.

Im Zuge der josephinischen Kirchenreform wurde 1782 die Schließung des Gotteshaus angeordnet, jedoch nicht umgesetzt. Seit 1813 ist die Kirche der Dompfarre St. Stephan unterstellt.

Der Bau:

Anders als andere mittelalterliche Kirchen weicht die Ruprechtskirche stark von der üblichen Ausrichtung zum Sonnenstand am Weihtag hin ab. Für die Richtungsbestimmung wurden ehemalige römische Fundamente verwendet.

Die ältesten Teile des Baues, untere Turmgeschoße und das romanische Hauptschiff, wurden im 12. Jh. errichtet und sind damit die ältesten noch benützten Gemäuer.

1276 beschädigte ein Feuer am Kienmarkt die Ruprechtskirche, in Folge dessen wurde der Turm um ein Geschoß erhöht und die polygonale Apsis des Hauptschiffs errichtet. Die Holz-Balken des obersten Turmgeschoß sind noch im Original, dendrochronologischen Untersuchungen nach um ca. 1260 gefällt, erhalten.

Vermutlich Mitte des 14. Jh. (um 1340?) wurde das gotische, kreuzrippengewölbte Seitenschiff angebaut (woran heute noch das Rundbogenfenster im Bereich der Empore erinnert, siehe Foto). Ob die Empore des Hauptschiffs auch aus dem 14. Jh. stammt, ist nicht nachweisbar. Das Maßwerk der Brüstung stammt allerdings aus der Zeit um 1360. Vermutlich ist die Empore selbst jedoch älter, d.h. evtl. schon zu Anfangszeiten des Baus entstanden.

Spätestens seit 1400 grenzte St. Ruprecht direkt an das Praghaus, erst Herzogsnebenresidenz, später Salzamt,(Artikel folgt). Das Gebäude schloß die gesamte Westseite sowie den Turm ein und ist durch einen eigenen Zugang über ein Turmgeschoß zur die Empore (durch ein seit 1581 vermauertes gotisches Schulterbogenportal) verbunden gewesen. Ein Fenster (aus statischen Gründen wurde die Tür entsprechend zugemauert) an der Westseite des Turms im zweiten Obergeschoß erinnert an diesen Durchgang.

Die Säulchen der  romanischen Doppelfenster in den beiden Geschoßen sind durch Ritzungen bzw. Ornamente unterschiedlich gestaltete Würfelkapitelle auf attisch-romanischen Basen mit Eckknollen. Im obersten Geschoß des Turmes befinden sich die zwei ältesten Glocken Wiens aus dem 13. Jh..

Um 1540 wurde die Apsis des Seitenschiffs zugemauert und als Sakristei genützt, im 17./18. Jh. wurde die Kirche barockisiert.

Erst 1924-35 versuchte man durch eine grundlegende Umgestaltung der Ruprechtskirche dem Zeitgeschmack nach einen möglichst „historisch echten“ Zustand zu erreichen, kleine Änderungen wurden bedingt durch die Schäden des 2. Weltkriegs bzw. die Restaurierung des Kircheninneren um 1997 vorgenommen. Die Balkendecke aus Eichenholz im Hauptschiff wurde nach romanischem Vorbild rekonstruiert.

Mittelalterliche Kunstschätze in St. Ruprecht:

Glasfenster: Die beiden Glasfenster in der Apsis gelten als die ältesten erhaltenen Glasfensters Wien, datiert ca. auf 1270, der Errichtungszeit der Apsis. Die obere Scheibe zeigt eine Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes, die untere die Madonna mit Kind. Obwohl stark verwittert, sind sie noch weitgehend original erhalten.

Madonna mit Kind (ca. 1510-1520): Am zweiten Mittelschiffpfeiler befindlich sticht die spätgotische Skulptur mit reichem Faltenwurf und ornamentierter Fassung durch die nicht alltägliche Darstellung der Madonna hervor:  Das Kind wendet sich nicht dem Betrachter sondern Maria zu, mit den von sich gestreckten Händen an die Kreuzigung erinnernd. Die Figur hat keine Standfläche sondern ist als Hängefigur gedacht, deren Darstellung sich von der „Madonna auf der Mondsichel“ ableitet.

Taufbecken (1500): Taufbecken aus Marmor mit Inschrift. Kupfereinsatz aus dem Jahr 1612

Holzskulptur des Hl. Ruperts (um 1370): Am vorderen Pfeiler befindlich. In der rechten Hand trägt er einen Bischofsstab, in der linken ursprünglich ein Buch oder Salzfass. Obwohl die Entstehung der Skulptur zeitlich parallel zu den Skulpturen des Stephansdom verläuft, unterscheidet sie sich stilistisch von diesen grundlegend.

Rundbogenfenster: Auf der Westempore befindlich. 1935 freigelegt, heute in den Gewölberaum des Seitenschiffs reichend, ursprünglich  aber ins Freie gehend.

AEIOU 1439: Sandsteintafel mit der Devise Kaiser Friedrichs III, 1938 am gedrückten Bogen der Westempore angebracht, davor an der Westwand der Empore über einem vermauerten gotischen Türgewände. Am 6. Dezember 1439 zog Friedrich III. in Wien ein.

 

Quellen:

Katalog Ruprechtskirche – Wien; Christliche Kunststätten Österreichs Nr. 314; Verlag St. Peter, Erzabtei St. Peter: Salzburg, 2009 (2. Aufl.)

sowie unser eigener Buchbestand unter Quellen .