Coming soon: Die Publikation des Wr. Neustädter Schatzfundes!

02.04.2014 von Rotschopf in Archäologie, Literatur und Quellenrecherche

Vor einigen Wochen haben wir eine Ankündigung zu einem Vortrag vergangenen Mittwoch rund um den Wr. Neustädter Schatzfund gepostet. Da dieser hier in Wien stattfand, gab es für uns natürlich keine Ausrede, diesem nicht beizuwohnen – eine Entscheidung die sich als absolut richtig herausstellte.

Organisiert von dem Verein „Freunde Carnuntums“, hielt der mit der Aufarbeitung des Wr. Neustädter  Schatzfundes beauftrachte Archäologe Mag. Nikolaus Hofer vom BDA, einen ca. 1stündigen Vortrag unter dem Titel “Der Spätmittelalterliche Schatzfund von Wiener Neustadt”, in welchem er einen detaillierteren Überblick über das Fundgut gab, als bisher von den Medien präsentiert.

Nachfolgend ein kleiner Einblick in unsere Mitschriften, auch wenn wir natürlich kein aktuelleres Bildmaterial als das der Medien bzw. von der Ende April 2011 stattgefundenem Informationsvortrag des BDA  dazu bieten können! Sofern vorhanden, habe ich versucht entsprechende Bildbeispiele direkt bei den entsprechenden Gruppen zu verlinken!

Als kleines Trostpflaster für dieses Manko: Anlässlich der in ca. zwei Wochen anstehenden Ausstellung zum Schatzfund im Mamuz wird im Rahmen der Ausstellungseröffnung am 12. April auch endlich die langersehnte Aufarbeitung in zwei verschiedenen Publikationsvarianten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht! Einerseits wird es eine gekürzte, populärwissenschaftliche Ausgabe geben („Schatz mit Fragezeichen“, sowie – die für uns definitiv wichtigere – Version eines ca. 500 Seiten starken Werks, welches alle wissenschaftlichen Hintergrundinformationen zum Schatzfund beinhaltet („Der Schatzfund von Wiener Neustadt“)

Nun aber zurück zum Inhalt des Vortrags:

Die Entdeckung

Wie viele den Medien bereits entnehmen konnten, wurde der Wr. Neustädter Schatzfund eigentlich bereits schon 2007 entdeckt. Damals erweiterte der private Finder das Feuchtbiotop auf seinem Privatgrundstück, wo er im Zuge der Arbeiten auf edelmetallische Objekte stieß. Diese wurden in einem lehmigen Erdklumpen von ihm in einem Kübel verstaut, welcher durch private Umstände, dann für mehrere Jahre im Keller unbeachtet stand.  Erst bei einer durch einen Hausverkauf notwendig gewordenen Kellerräumung stieß der Privatmann erneut auf den Kübel und untersuchte ihn etwas genauer. Im Zuge dessen versuchte er die Stücke zu säubern, wofür er – leider – auch auf Putzmittel zurückgriff, welche die Oberfläche des Fundguts angriff. Nach Anfragen mit Fotografien auf einschlägigen Internetplattformen folgte schließlich der Hinweis eines Hobbyarchäologen aus Eggenburg, dass in Österreich eine Meldepflicht für derartige Objekte bestünde, wodurch der Schatz 2010 schlussendlich in die Hände des Bundesdenkmalamts kam.

2012 erwarb Niederösterreich den Schatzfund, wodurch die Finanzierung und der Verbleib in der öffentlichen Hand für den Fund gesichert wurden. Die Laufzeit des Sonderprojekts zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Schatzfundes lief von 2011 bis 2014, von den zahlreichen an der Untersuchung und Auswertung beteiligten Mitarbeitern seien neben Mag. Nikolaus Hofer auch Mag. Dr. Thomas Kühtreiber und Marianne Singer erwähnt. Nun, ab Mitte April wird der Schatz im Mamuz der Öffentlichkeit für die nächsten Jahre präsentiert.

 

Analysen zur Bestimmung des Fundortes

Im Zuge der Untersuchung kam es zu zahlreichen Analysen des Fundes. So wurden beispielsweise aus den durch die Putzmittel verursachten Korrosionsschichten Proben entnommen und mit Erdproben vom Grundstück verglichen, wodurch der angegebene Fundort auf Basis der ähnlichen Materialzusammensetzung sowie des pH-Werts als richtig bestätigt werden konnte.

Dr. Mag. Kühtreiber entdeckte bei der Recherche schließlich eine Darstellung Wiener Neustadts aus dem 17. Jh., auf welcher sehr klar die Fundortsituierung in unmittelbarer Nähe zum mittelalterlichen Galgen erkennbar ist. Die Fundstelle lag auch zusätzlich an zwei für Wiener Neustadt wichtigen Handelswegen: Zu einem der Wiener Straße (bzw. Venediger Straße) sowie der, für den regionalen Handel wichtigen, Badener Straße.

 

Fakten zum Fund:

Insgesamt wiegt der Fund etwa 2.200 Gramm. Die gefundenen Objekten lassen sich in 283 Einzelstücke, 125 Objektindividuen und 24 nicht zuordenbare Fragmente unterteilen.

Material:

Zur Auswertung der Materialzusammensetzung wurden 3 Analysenreihen durchgeführt, u.a. eine Fluoreszenzanalyse sowie Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop.

Bei den Edelmetallobjekten handelt es sich durchwegs um Silberlegierungen, welche teils oberflächenvergoldet wurde. In der damit verbundenen Materialzusammensetzung zeigt sich keine Einheit, und zum Teil lassen sich auch Kupferanteile nachweisen.

Zusätzlich weisen zahlreiche Schmuckstücke Schmucksteine (z.B. Sapphire, Bergkristall, Granat) bzw. Koralle auf.

Herstellungstechnik:

Da den Funden in der Herstellung keine eindeutige Charakteristika zuordenbar ist, gehen die Archäologen von verschiedenen Werkstattskreisen aus. Eine durchgängige gute Qualität der Objekte ist bemerkbar, allerdings weisen Gebrauchsspuren an den Objekten darauf hin, dass kein Objekt ungebraucht in den Hort gelangte.

Objektgruppen:

50 Fingerringe, 44 Spangen, 10 Kleidungsbestandteile, 11 Gefäße und 4 (Silber-)Löffel.

 

Die Fingerringe

Die Fingerringe lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • Ringe mit Fassung:

Bei manchen Ringen fehlen die zur Fassung gehörigen Steine. Evtl. sind sie zuvor ausgebrochen bzw. für andere Objekte wiederverwendet worden.

Es findet sich im Hort eine römische Gemme als Einzelstück. Diese ist jedoch keiner Fassung fragmentarisch zuordbar.

Der große Ringdurchmesser lässt darauf schließen, dass es sich bei den Stücken vornehmlich um Männerringe handeln könnte, welche über einem Handschuh getragen wurden.

Die von Hr. Hofer gezeigten Ringbeispiele zeigten u.a. einen vergoldeten Ring mit zentralem, großem Sapphir und kleinen Granaten in Nebenfassungen, welcher möglicherweise einem kirchlichen Würdenträger gehört haben könnte.  Weiters wurde ein Ring mit versenkter Fassung sowie einem roten Stein von evtl. antikem Ursprungs mit einer Umschrift.

Im Schatzfund sind insgesamt sehr viele Inschriften bzw. eingeritzte Schriftzeichen nachweisbar. Inhaltlich sind diese jedoch großteils unlesbar, wodurch die Wissenschaftler daraus schließen, dass entweder der Aufbringer Analphabet war oder den Inhalt nicht verstanden haben könnte (lt. Aussagen von Hr. Hofer machen diese Inschriften den Eindruck, als wäre eine Vorlage häufig kopiert worden, und es mit der Zeit dadurch zu Fehlern gekommen war)

  • Ringe mit verzierter Ringplatte:

Im Fundgut findet sich bei den Ringen mit verzierter Ringplatte eine große Motivvielfalt, vorwiegend aus dem heraldischen bzw. an die Heraldik angelehnten bzw. ornamental-dekorativen Bereich: z.B. Lilie, Drache, Adler, Kreuz, Blume, etc.

Anfängliche Ideen, das es sich hierbei um Siegelringe handeln könnte, wurde von den Wissenschaftlern bald wieder verworfen. Allerdings könnte es sich evtl. um Signet-Ringe (kleine Ringe für den Privatgebrauch, z.B. persönliche Korrespondenz) handeln.

Besonders an den Ringen aus dem Wiener Neustädter Schatzfund ist die Tatsache, das Ringe in der vorgefundenen Qualität bisher nicht bekannt sind.

  • Federinge:

Bei den Federingen finden sich sowohl die gewöhnlichen Fede-Ringe mit einfacher Handfassung, als auch in doppelter Ausführung (d.h. 2 Handfassungen übereinander angereiht). Als Inschrift findet sich immer der Text „Lieb an Ende“ (oder ähnlich? Bitte um Korrektur falls im Vortrag verhört ;) ) – d.h. übersetzt „Liebe ohne Ende“

 

 

Die Spangen

  • Spangen mit runden Rahmen:

Diese Gruppe weist eine starke Heterogenität auf. Es finden sich sowohl schlichte als auch prunkvolle Stücke. Von der Datierung her sind diese Objekte ins 13. Jahrhundert einzuordnen. Ein Fedemotiv auf einer korrodierten Spange lässt sich mit Objekten aus dem Schatzfund von Fuchsenhof vergleichen.

Als Schmucksteine kamen auch hier u.a. Korallenperlen und Sapphire zum Einsatz.

  • Spangen mit sternförmigem Rahmen:

Hier finden sich keine zwei absolut identische Exemplare. Die Spangen sind 6- oder 8-zackig.

Bei den 8-zackigen Spangen handelt es sich um eine regionale Sondergruppe, welche im 13./14. Jh. zwar stark verbreitet waren, aber bisher nur in Ostmitteleuropa vereinzelt gefunden worden ist.

Die 6-zackige Form ist weitaus geläufiger und auch in Westeuropa häufig anzutreffen.

Das Lilienmotiv an den Sternspitzen ist im Schatzfund häufig vertreten.

Beispiel: hier

  • Spangen mit doppeltem Rahmen:

Hier lässt sich eine sehr dichte Anordnung zusätzlicher Dekormotive am Rand beobachten. In der Gestaltung sind die Objekte aus dieser Gruppe sehr prunkvoll gestaltet.

  • Sonderformen:

z.B. Adlerspange: Tropfenförmig, mit vier figural umformten Adlern, mit Schmucksteinen verziert. Parallelen zu dieser Spange finden sich in Westeuropa.

 

Kleidungsbestandteile

  • Haken & Ösen: 

In dieser Kategorie befindet sich z.B. eine – ursprünglich zweiteilige – Mantelschließe (Tasselmantel!) nicht-österreichischer Herstellung mit einer figuralen Verzierung aus dem Bereich der Minnethematik, welche mit Schmucksteinen besetzt ist.

Ösenbeschläge sind ab dem 14. Jh. von zunehmender Bedeutung und löst allmählich die Spangenmode ab.

  •  Knöpfe:

Es fanden sich eine halbkugelige mit einem Gesicht sowie eine melonenförmige Form.

  • Gürtelbeschläge:

Auch bei den Gürtelbeschlägen spiegelt sich die Minnethematik wieder. Eine Computertomografie am korrodierten Beschlag ergab Ähnlichkeiten mit Stücken aus dem venezianischen Raum. Einzuordnen sind solche Stücke in die 2. H. des 14. Jh., wodurch es sich bei dem Stück um eines der jüngsten Objekte aus dem Schatzfund handelt. Aufgrund der Komplexität der Anfertigung dieses Objekts verweisen wir euch für die Spezifika auf den Katalog zum Fund.

  • Gewandapplikationen:

– runde Zierscheibe mit geflügeltem Dämon (Harpyie)

– Zierscheibe mit „A“ – evtl. Vornamenskürzel oder „Ave Maria“?

 

Gefäße

Die gefundenen Gefäße sind zum Teil stark fragmentiert bzw. intentionell zerlegt ins Depot gelangt.

Die Gefäße sind von sehr hoher Qualität und die Silberlegierung weist einen hohen Silberanteil auf. Dieser Produktionsstandard ist durch den Gebrauch der Gefäße bedingt, da säurehaltige Getränke eine Ablösung der Legierung verursachen.

  • Becher:

2 runde und drei sechseckige Becher, sowie ein 1 Doppelbecher finden sich im Fundgut.

Von den sechseckigen Bechern weisen zwei Becher einen gebuckelten Rand auf. Bei den Objekten handelt es sich um Stapelbecher. Sie weisen umlaufend die Inschrift „Dafür ist der Dienst gut, den man der Frau tut“ auf. Auch hier spielt die Minnethematik in die Arbeit hinein und gibt einen interessanten Einblick in die männliche Gedankenwelt des Mittelalters.

Bei Doppelbechern konnte ein Becher im Sinne eines Deckels über den anderen gestülpt werden.

  • Pokale:

Bei dem Objekt handelt es sich um einen Pokalrest, von dem nur der Unterteil mit Nodus im Schatz gelandet ist. Vergleichsbeispiele aus dem 14. Jh. finden sich z.B. im rheinischen Bereich und Westeuropa.

  • Schalen:

Eine runde Schale enthält Drachenmotive um eine zentrale Zierscheibe, bei der anderen handelt es sich um eine polygonale Schale.

  • Löffel:

Im Fundgut befinden sich vier Silberlöffel einfacher Gestalt. Sie weisen z.B. einen tordierten Stil auf, bzw. stilisierte Tierköpfe an den Stielansätzen.

Da Schneidespuren an den Löffeln nachweisbar sind, verdichtet sich die Theorie der Archäologen, dass es sich bei dem Wiener Neustädter Schatzfund um das Rohstoffdepot eines Goldschmiedes handelte, welcher das Material frei nach Bedarf abschnitt.

Silberlöffel dieser Machart sind u.a. in Skandinavien, Nordeuropa und England weit verbreitet.

 

Kulturhistorsche Einordnung:

  • Datierungsrahmen: 1. H. 13.-2.H. 14. Jh.
  • Verbergungszeitraum: um 1400
  • Herkunft: regional / international
  • Parallelen: Ungarn, Balkan, Westeuropa, Ostmitteleuropa, Venedig, Skandinavien

 

Erkenntnisse aus dem Schatzfund:

  • Modeentwicklung im österr. Raum
  • regionale Trachtbestandteile – 8zackiger Stern!
  • Die Signetringe sind für Europa einzigartig!
  • Gefäßdatierung –> Vordatierung der Buckelbecher im Kontext der bisherigen wissenschaftlichen Datierungsergebnisse!

 

Historisches Umfeld

Auf einer Zierscheibe eines Buckelbechers lässt sich das Wappen des für Wiener Neustadt im späte 13. bzw. 14. Jh. sehr bedeutenden Patriziergeschlecht der Familie Vierdung ausmachen. Angehörige dieser Familie waren Kaufleute, Ratsherren und unterhielten durch einen Familienzweig in Wien Kontakte zum Wiener Hof.

Daher ist es sehr sicher, dass es sich für die Herkunft des Schatzes die nähere Umgebung von Wiener Neustadt eingrenzen lässt.

 

Verberger bzw. Vergebergungsgrund

Bei dem Schatzfund handelt es sich vermutlich um das Altmetalldepot eines Goldschmieds/Händlers.

Indizien hierfür sind:

  • die Zusammensetzung in der Menge, als auch der Gleichförmigkeit der Objekte. Im Unterschied zu anderen privat verborgenen Schatzfunden finden sich in Wiener Neustadt keine dafür typischen Münzen!
  • Gebrauchsspuren / Fragmentierung / Zerschneidespuren: Offensichtlich waren die Objekte bei Bedarf zum Einschmelzen bestimmt.
  • der  breite Datierungsrahmen: potentiell handelt es sichtrotz des Schwerpunkts auf dem 14. Jh. bei den Objekten als als „unmodern“ ausgemusterte Objekte
  • der Verbergungsort: die Nähe des Galgen als „tabuisierter“, aber auch zugleich gut auffindbarer Ort. Da der Fund offensichtlich „am Weg“ verborgen wurde, könnte es sich um eine ansich ursprünglich kurzfristige Lagerung gehandelt haben. Besiedelungsspuren lassen sich weder archäologisch noch textlich im Bereich des Galgens zum Zeitpunkt des Verbergens nachweisen.

 

So, wir hoffen euch hier einmal einen kleinen Einblick in den Schatzfund geboten zu haben, und warten nun, so wie ihr wohl auch, noch die nächsten Tage aufgeregt auf die finale Publikation dazu!!!