Auswirkungen der Pest
„Ob hanc grandem et generalem vastacionem peccora errabant in campis absque pastoribus, quia nemo presumebat se intromittere propter vite conservacionem, et lupi rapaces volentes ea invadere primo intuitu perterriti repenta contra morem in vacuum fugierunt.“
(Continuatio Novimontensis, p. 675)
Die Pest kehrt immer wieder …
Die Menschen des Spätmittelalters waren regelmäßige Epidemien und Seuchen gewohnt, diese betrafen jedoch in der Regel bestimmte Gruppen bzw. galten als typische, zum Teil auch entstellende oder letale, „Kinderkrankheiten“, wie beispielsweise die Pocken.
Die Pest jedoch vermittelte durch ihre alles, von Arm bis Reich, Jung bis Alt, ohne Unterschied dahinraffende Form, eine neue Art des Grauens, denen der Mensch über Jahrhunderte hinweg mehrmals in seinem Leben völlig machtlos gegenüberstand.
1350 atmeten die Menschen auf: Die Pest war vorüber. Doch nur für wenige Jahre!
Bereits 1359 herum wütete sie erneut in Polen, Böhmen und Mähren, 1381 kehrte sie auch nach Wien zurück. Die (wohl übertrieben dargestellten) Berichte diverser Chroniken sprechen von 15.000 Opfern im Zuge dieses Ausbruchs. Als Folge kommt es, wie bereits 1348/49, wie aus Berichten und Wüstungen aus den Bundesländern auch hervorgeht, zu einem Arbeitskräftemangel in Wien und Preise für Häuser und Weingärten verfallen infolge dessen in Wien und im ganzen Land. Der Wein wird teurer und man muss pro Fass 12 Schilling Pfennige zahlen. (vgl, Opll S. 93)
Wirtschaftliche Auswirkungen
Wüstungen, Arbeitskräftemangel, aber auch die Katastrophen und damit einhergehenden finanziellen Schwierigkeiten hatten Wien hart getroffen, Handwerk und Gewerbe kamen kaum in die Gänge. Schwere Brände verherrten 1350 Wien und griff durch den starken Wind auch auf die Vorstädte jenseits der Donau über, 1354 brannte erneut die halbe Stadt ab (vgl. Zeibig, S. 7), ebenso wie 1361. Die beschädigten Stadtteile konnte nvon den Bewohnern durch das auf den Häusern liegende Burgrecht (eine Art Hypothekendarlehen) und damit einhergehender Überzinsung teils nicht wieder aufgebaut werden. Rudolf IV. benötigte jedoch die Finanzkraft seiner Residenzstadt für seine politischen Pläne und setzte seine Vorhaben auch radikal um:. Der auf den Häusern liegende Zins wurde durch die allgemeine Aufkündigung des ewigen Zinses durch eine einmalige Zahlung eines achtfachen Jahreszins getilgt, wodurch die Städter wieder Geld besaßen um den Wiederaufbau anzutreiben. Leerstehende Häuser und Flächen wurden von ihm neu bestiftet, der Städteausbau vorangetrieben und zugleich die Neubesiedlung verstärkt, um die starken Bevölkerungsverluste auszugleichen. In einem weiteren Schlag beseitigte der Herzog am 2. August 1360 durch die Aufhebung der Grundherrschaft auf allen Besitzungen von Adel, Klerus und Bürgern die grundherrschaftlichen Fesseln, welcher seinen dynamischen Entwicklungen, hinderlich waren.
Verantwortlich für die Einnahme der Gebühren und mit den Rechts- und Liegenschaftsgeschäften vertraut waren nun die politischen Gremien der Stadt, d.h. Rat und Bürgermeister. Dieses Gesetz ging mit dem Beginn der ab 1368 überlieferten städtischen Grundbücher einher.
Ein weiteres radikales Sozialgesetz am 20. Juli 1361, namentlich aufgrund der Missstände der vorhergehenden Jahren, galt der Regelung der Vermächtnisse an kirchliche Einrichtungen sowie der Ausdehnung der Schatzsteuer auf alle Bürger (mit Ausnahme der kirchlichen Einrichtungen Wiens und seiner Vorstädte, sowie den Angehörigen des Rats). Weiters wurden alle fremden Gerichte verbannt. Es blieben nur das herzögliche Hofgericht, das Stadt-, Münz- und Judengericht. Auch die Freiungen, Immunitätsbezirke, wurden bis auf St. Stephan, das Schottenkloster und die Burg aufgehoben. Der Rat erhielt weiters die Vogteirechte über sämtliche kirchliche Niederlassungen in Wien und den Vorstädten, einzig das 1305 von Rudolfs IV. Onkel Rudolf III. gegründete Kloster St. Clara, sowie St. Stephan, welches Rudolf IV. als seine Grabstätte auserwählt hatte, blieb in seinem vogteirechtlichen Besitz.
Die Aufhebung aller Zechen und Einungen in der Stadt hing mit Rudolfs Plänen zur Förderung des Handwerks und Zuzugs zusammen, welche von den Zechen und Einungen zuvor nur eingeschränkt zugelassen worden war. Die neu zugezogenen Handwerker erhielten eine Förderung in Form einer dreijährigen Steuerfreiheit, die hiesigen Handwerker allerdings bekamen eine Steuerpflicht mit der städtischen Gemeinschaft auferlegt. Offensichtlich hielten sich die lokalen Handwerkerverbände jedoch nicht an Rudolfs Vorgaben des freien Zugangs zum Gewerbe, weshalb er (sich u.a. am Nürnberger Vorbild orientierend) diese und die von ihnen erlassenen Verfügungen 1364 vollständig verbot und die Regelungskompetenz, und damit auch den Erlaß von Gewerbeordnungen, der städtischen Obrigkeit übergab. Im Zusammenhang mit dem um die 1350/60er Jahre stattfindenen Münzverruf geht die 1360 eingeführte Getränkesteuer zurück. Durch kleinere Gefäße bei gleichbleibenden Preis wurde ein Gewinn erzielt, welche den Bürgern, welche Wirtshäuser und Schankrecht besaßen, eine zusätzliche Sondersteuer ersparte. Trotz Rudolfs gutem Willen zeigten seine Vorgaben nur wenig wirtschaftlichen Aufschwung.
Ernährungstechnische Zustände
Das 14. Jahrhundert wird in der Literatur als Krisenjahrhundert bezeichnet. Auch Österreich war zu Beginn des 14. Jh. von der Hungerkrise betroffen, es folgten regionale, konjunkturtypische Auf- und Abs. Nach der Pest erholen sich z.b. die Werte von Hafer und Roggen im Waldviertel langsam wieder, ehe wegen der für 1360 nachweisbaren große Hitze und Dürre im Anbaugebiet des Hafers auch sehr geringe Werte im Zehent von Hafer und Roggen nachweisbar sind, wobei letzterer beinahe gegen Null tendieren. Während sich der Roggen (Anbau im Südwaldviertel) im Folgejahr erholen kann, stürzt der Hafer durch Unwetter im Anbaugebiet völlig ab. Trotz vereinzelter Ernteeinbrüche erholen sich die Werte zum Ende des 14. Jh. hin langsam.
Soziale Auswirkungen
Rudolf ging es in seinen Privilegien wahrscheinlich um die Stärkung des einfachen Bürgers und dessen Steuerkraft. Durch die Aufhebung des Zinses gelang es bisher unvermögenden Familien zunehmend aufzusteigen und sich innerhalb einer Generation mit den bisher in der Stadt führenden Familien messen zu können und in der Ratszusammensetzung des 15. Jh. ist ihr politische Einfluss bereits sehr gut beobachtbar. Das Amt wurde wichtiger als der Träger. Wie in anderen Städten Europas kam es durch die Veränderungen der Strukturen zu sozialen Umwälzungen innerhalb der Gesellschaft. Da der Landesherr jedoch stets darauf bedacht war, sich die Unterstützung der Bürger zu sichern, kam es in Wien im 14. Jh. nie zu schweren Unruhen, wie sie in anderen Städten in diesem Zeitraum beobachtbar sind.
Mentalitätswandel
Der Mensch des Spätmittelalters erlebte einen Pestzug in regelmäßigen Abständen, auch wenn es sich mit der Zeit zunehmend um lokale Ausbrüche handelte und nicht immer gesamt Europa betroffen war. Trotzdem erlebte der spätmittelalterliche Mensch 2-4 mal in seinem Leben das „große Sterben“ Wohl von Polen, Böhmen und Mähren kam die im Frühjahr und Sommer 1358 (vgl. Opll. S. 58) dort wütende Pest, auch wieder ins nördliche Österreich. 1359 schreibt der Klosterneuburger Chronist:
„Da khäm der ander sterb. es hetten die leut des andern sterb vergessen und gottes, und waren gar zu geillig geworden.“ (Zeibig, S. 8)
Um die selbe Zeit herum kritisiert auch der Teichner in seinem Gedicht „von der werlde irreganc“ diese epikureische Mentalität: „(C 265b ff., vgl. Karajan) Ihrer eigenen Sterblichkeit plötzlich bewusst begannen einige Menschen, durch Erbschaften teils reicher als zuvor, kurzfristig exzessiv das Leben zu genießen, statt in die Zukunft zu schauen von einem Tag auf den anderen zu leben und den Reichtum auch entsprechend zur Schau zu stellen. In diesem Zusammenhang, ebenso wie den gesellschaftlichen Veränderungen, kam es um 1380 zur ersten Kleiderordnung in Wien, welche jedoch heute nicht mehr auffindbar ist.
Europaweit kam es trotz der vielen Todesfälle direkt im Anschluss an die Pest zu einem plötzlichen Anstieg an Geburten und Hochzeiten, wobei besonders viele Hochzeiten zwischen Paaren mit starken Altersunterschieden stattfanden.
Wie stark die Pest Mentalität und Handeln der Menschen bestimmte, zeigte sich im Verlauf der späteren Jahrhunderten in Kunstwerken, Volksglauben und -bräuchen.
In Österreich wurden der Hl. Sebastian, der Hl. Rochus und die Hl. Rosalia als vorrangige Pestheilige verehrt.
Schutz vor Ansteckung bzw. einem neuerlichen Ausbruch der Seuche erhoffte man sich durch Amulette und Wallfahrten, Pestbildern, Pestblättern (ab dem 15. Jh.), Pestkreuze, -säulen und Prozessionen.
Ab dem späten 15. Jh. enthielten Pestblätter bisweilen auch medizinische Ratschläge und Vorgehensweisen.
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