Die Neidhartfresken (Tuchlauben 19)

In den Tuchlauben 19 im Wiener 1. Bezirk sind in der Dependenz des Wien Museums die „Neidhartfresken“, spätmittelalterliche Wandmalereien, zu bewundern.

Die Wandmalereien stammen aus den Jahren um 1400 und befinden sich in einem ehemaligen Tuchhändlerhaus. Belegbar ist das Haus Nummer 19 erstmals um 1370, damals noch im Besitz des vermögenden Juden David Steuß (gest. um 1386/87). Im Zuge einer unbekannten rechtlichen Forderung ging das Haus nach seinem Tod an Herzog Albrecht IV und Wilhelm von Österreich über, welche es an ihre Kammerherren Albert Hadmannsdorfer und Jörg Koblinger weiterreichten.. Das zu dieser Zeit „unbewohnbare“ Haus wurde 1398 an den Laubenherren, wie man die Wollhändler nannte, Michael Menschein verkauft. Menschein war Wiener Ratsmitglied 1398, 1399 und 1414, ehe er zwischen 1415 und 1420 verstarb und das Haus an seine Kinder vermachtete.

Die Wandmalereien sind stilistisch gegen Ende des 14. Jh. anzusiedeln. Durch das anfängliche Leerstehen des Hauses und den raschen Besitzwechsel zwischen Steuß Tod und der Übernahme Menscheins um 1397/98 liegt die Vermutung nahe, dass erst Menschein, in der Zeit zwischen 1398 und 1415 die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten besaß, um dieses umfangreiche Werk in Auftrag zu geben.
Menschein, der vermutlich aus dem Mürztal in der Steiermark stammte, ist in Wien seit 1376 durch zahlreiche Hausbesitzungen auffindbar, so gehörten ihm u.a. die Tuchlauben 23 („In der Scher“ zw. 1392 u. 1397), Tuchlauben 20/Landskrongasse 5 („Gewandkeller“) (ab 1388, gesamtes Haus ab 1396), Tuchlauben 19 (1398), „Hinter der Schlagstuben“ (1399), Haus am Hohen Markt (1407) (beides Hoher Markt 4/Landskrongasse 8).
Durch seinen als Gewand- und Stoffhändler erworbenen Reichtum und seine Mitgliedschaft beim Wiener Rat musste er repräsentativ sein. Seine Kundschaft umfasste auch Händler aus Nürnberg, Köln, Friesach, Villach und Meran. Ab 1415 existiert ein „Sommerhaus“, in welchem sich die Neidhardfresken befinden, und das Haus Tuchlauben 20/Landskrongasse 8 wurde zum „Winterhaus“, in welchen Menschein abwechselnd wohnte.
Zeitgleich geriet Menschein jedoch in schwere finanzielle Schwierigkeiten, in deren Folge Sommer-, Winterhaus und „Hinter der Schlagstube“ stark von einer Hypothek belastet waren. 1416 wurde der Gewandkeller im Winterhaus veräußert, doch trotz vieler Versuche von Menscheins Frau, Margarete musste die schließlich verwitwete Frau 1421 bzw. 1428 alle Häuser ausser dem Winterhaus veräußern. Man kann annehmen, dass es sich bei dem Sommerhaus um den wertvollsten Familienbesitz handelt.

Was den Maler der Bilder betrifft, so ist es unwahrscheinlich, dass für die Wandbemalung ein stadtfremder Maler gerufen worden ist. Für Wien sind um die betreffende Zeit 6-8 Maler plaus zwei bis drei hauslose Maler nachweisbar, welche keine eigene Gilde betrieben, sondern der St. Lukas-Gilde gemeinsam mit Schildermachern, Goldschmieden, Seidennäher, Buchdruckern und Glassierern angehörten. Namentlich erwähnt sind u.a.

  • Jakob Gegenuns (gest. 1403) Ende des 14. Jh. in Wien, der gemeinsam mit seinem Vater Ulrich 1396 erstmals erwähnt wird.
  • Lienhard (gest. 1401),
  • Jakob Grün (gest. vermutl. nach 1411, der einzige Künstler, der in den Wiener Rat erwählt worden war, wo er 1399, 1403, 1409-1411 Mitglied war)
  • Martin Sachs, mehrmals erwähnt seit 1385. Maler des Österreichischen Herzogs Albrecht III., ein „Genannter“ (gest. um 1405? fehlende Erwähnung danach)
  • Niklas (gest. 1401), Statuen in der Apsis von St. Stephan
  • Ulrich Arm (gest. 1415)

Menscheins Reichtum zufolge ist es wahrscheinlich, dass der Maler prominent war. In Betracht zu ziehen wären Jakob Grün, Hans Sachs, oder aber – aufgrund der stilistischen Ähnlichkeiten mit der „Wenzelswerkstatt“- ein Maler, der in Böhmen gelernt hatte bzw. von dort stammte. Leider gibt es in diesem Bereich nur vage Vermutungen, so dass der wahre Maler auf immer ein Rätsel bleiben wird.

Vom räumlichen her, befinden sich die Wandmalereien im sog. Festsaal/Bankettsaal, der 15 m lang und 7,5 m breit war und ursprünglich durch eine Holztreppe zu erreichen war. Es handelt sich bei den Bildern um einen zusammenhängenden Zyklus der vier Jahreszeiten, welche durch für die Jahreszeit typische Spiele repräsentiert werden. Die gegenüberliegende Anordnung der Jahreszeiten in Sommer-Winter bzw Frühling-Herbst lassen sich auch in Neidharts literarischen Werken finden.

Quelle: Publikation des Wien Museums „Neidhart Frescoes“