Quellen zur österreichischen Mode

DSC_0033_2134„Ze hemde und ze rocke/ diu himilische tocke / Hat eine suggeni / Diu kiusche und auch diu fin / und ein mantel iubir daz / Der hovelich gemachet was / und darob einen gürtel / diu reine gotis türtel / und an ir brust ein furspan / als der guoten wol gezam“ (um 1300, Hugo von Langenstein, „Martina“, v. 55-64)

Wir möchten euch hier eine überblicksmäßige Entwicklung der österreichischen Mode zwischen 1310 und ca. 1390 geben.

Eine „echte“ rein wienerische Mode scheint es bereits Ende des 13. Jh. nicht bzw. nicht mehr gegeben zu haben. So klagt der Dichter Seifried Helbling im „Kleinen Lucidarius“ bereits um 1290, geprägt durch einen langen Aufenthalt in Wien, über die starken Einflüsse aus Baiern, Sachsen, Thüringen, Böhmen und Ungarn, welche nicht nur die Sitten verderben würden, sondern sich auch in der Kleidung der Wiener wiederspiegeln würden.

Ein Bauer, nicht mehr vom Ritter unterscheidbar, würde Venediger Handschuhe und er und seine Frau Kleider in allen Farben und von allen Qualitäten tragen – nicht nur blau an Festtagen und den normalerweise ihm gestatteten Loden.Da leider für Wien nur eine Kleiderordnungen aus dem  15. Jh. erhalten ist, und nur wenige schriftliche, modekritische Hinweise aus der Feder von aus Österreich stammenden Dichtern verfügbar sind, sind wir in unserer Recherche primär auf Bildquellen sowie Vergleiche mit Bildquellen und Textilfunden aus anderen europäischen Ländern angewiesen.

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Da sich dies auch mit den politischen und handelspolitischen Verknüpfungen Wiens deckt, griffen wir deshalb als Vergleichsmaterial – zusätzlich zu den unten aufgelisteten Handschriften – primär auch auf Bildquellen aus dem Prager Raum, mit welchem Wien in Politik als auch Handel in engem Kontakt stand, italienische sowie süddeutsche Quellen zurück. 

Ob die Wiener, wie von Helbling beschrieben, tatsächlich so luxuriös gelebt hatten, bleibt fraglich, aber auch Heinrich der Teichner berichtet über ähnliche Zustände als Folge der Pestepidemie 1348/49. Die z.B. im „Heilsspiegel“ immer wieder dargestellten gestreiften bzw. rautenartig dekorierten Bekleidungsstoffe decken sich mit dem textilien Fundgut der selbigen Zeit aus beispielsweise London oder Altenberg, ebenso wie mit überlieferten Rechnungsbucheintragungen aus anderen europäischen Ländern. Linienförmige Musterung schien um die Mitte des 14. Jh. en vogue zu sein.

Anmerkung: Die für die Kleidung gewählten Bezeichnungen entsprechen denen der Wiener Testamente des späten 14. Jahrhunderts bzw. den Ausdrücken aus den Gedichten von Heinrich dem Teichner.

Vermächtnis einer Wienerin aus dem Jahr 1349:

Christein, Leupolts witibe von Puchs, vermachtet ihrer Schafferin Elbset

„… ihren praun mantel und ein suknei und einen rock und alles pettgewant und darzu alles hausgerüst in cheller, in chemnaten. … ihrer Tochter Christein in dem chloster ze Tuln ihren chlainen hohen pechher und ain schal und ein chron, ihres Mannes Schwester Chlarn der Puchserinne ze Tulln ihren braunenvehenmantel, einer anderen Schwester ihres Mannes Gedrauten ihren braunen zendalmantel, ihrer Dienerin Chunigunden ihren schwarzen Mantel und einen Rock, ihrer Muhme Elsbet, Jansen Hausfrau, ihren schwarzen sameit sukknei.“ (12. August 1349, Wien, aus: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Bd. II/1, Nr. 341)

Modetorheiten in der Steiermark, „aber auch in anderen Ländern“ nach der „Anonymus Leobiensis“ (Steiermark), um 1336 (?):

„…in der Kleidertracht verschiedene Erfindungen und Neuerungen zum Vorschein kamen. Manche trugen an ihrem Rock den linken Ärmel von anderem Tuch; andere machten beide Ärmel so breit, dass er breiter als der ganze Rock war; andere machten beide Ärmel so lang [Anm.:  vgl. z.B. Tacuinum Sanitatis]; noch andere verzierten auf verschiedene Art und Weise den linken Ärmel, sei es mit Seidenstickerei oder mit silbernen Zierraten; manche ließen mit Seide gestickte silberne Röhrchen den ganzen Ärmel entlang hängen; wieder andere trugen auf der Brust einen Einsatz von anderem Tuch mit silbernen oder seidenen Buchstaben bestickt [Anm.: vergleichbare Beispiele davon lassen sich aus dem italienischen Raum auf Werken von Affresco di Giovanni da Milano rund um 1365 beobachten]; andere trugen auf der linken Seite der Brust Porträts, bei wieder anderen war die ganze Brust von seidenen Kreisen umzogen. Fast alle aber  trugen überdies die Röcke so eng, dass manche dieselben nicht ohne Hilfe anderer oder nur mittels Knopflöcher, welche von der Hand herauf bis zur Schulter sich über den ganzen Ärmel, und ebenso über Brust und Bauch hinzogen, an- und ausziehen imstande waren.  Auch die Öffnung, durch die der Kopf gesteckt wird, erweitert sich so sehr, dass bei Leuten, die sich nach der Mode trugen, Schultern und Brust zum größten Teil sichtbar wurden. [Anm.: vgl. Abbildung des Speculum Humanae Salvationis, Königsfiguren am Stephansdom, Wenzelsbibel u.ä.] Die Säume ihrer Röcke pflegten sie auch wohl mit anderem Tuch auszustaffieren und zu schmücken, wie es einstmals die Narren trugen. [Anm: vgl. auch hierfür Giovanni da Milano] Auch machten sie zuweilen Einschnitte an den Enden der Kleider und trugen diese anstatt eines Saumes [Anm.: vgl. Zaddelmode, vgl. z.B. Tacuinum Sanitatis]. Ferner begann jeder Mensch Kapuzen zu tragen, selbst Bauern, Juden und Hirten, und der Brauch, dass Männer Mützen trugen, durch welche unter einer Mehrzahl von Laien der Christ sich vom Juden unterschied, hörte auf. Was das Haar betrifft, so scheitelten sie dasselbe entweder kaum oder ganz, wie die Juden und Ungarn. … 

Zu denselben Zeiten trug man auch die Mäntel so kurz, dass zuweilen kaum das Gesäß von denselben bedeckt wurde. [Das Wiener Seydl wird als sehr kurz beschrieben, evtl. ist dies ein erster zeitlicher Hinweis auf das Aufkommen dieses Mantelstücks, urkundliche Erwähnung dafür kommen ab etwa den 1370er Jahren vereinzelt in Wiener Urkunden & Regesten auf]

Auch was das Seidenzeug betrifft, so begann sich darin selbst bei Knechten und Hörigen eine große Mannigfaltigkeit geltend zu machen gegen die alte Sitte der Ritterzeit. [vgl. Existenz einer Kleiderordnung in Wien um 1380!] Am Oberrock aber kürzten sich die Ärmel so sehr, dass sie den Arm kaum bis zum Ellbogen bedeckten, unterhalb des Ellbogens aber hing dafür ein Ding wie eine Fahne herunter.“ [Anm.: vermutlich handelt es sich hier um die Mode der Tippets, etwa für die Zeit um 1360-1375 bereits in Wien im Speculum Humanae Salvationis sowie einem Detail der Skulptur der Katharina von Böhmen an der Westfront des Stephansdoms nachweisbar, Bild s. unter „Surcot“; oder aber es ist ein erster Hinweis auf das Aufkommen der Mode der Löffelärmel, welche im Bildmaterial etwa ab 1340 herum zunehmend im Bildmaterial auftaucht] [Anonymus Leobiensis in „Gotik in Österreich“, p. 20]

Alle historischen Bildquellen aus der Bildatenbank des ImaReals mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Krems.

Textquellen u.a.:

  • Die Manesse’sche Handschrift, Faks.-Ausg., Textbd.: Die Manessische Lieder-Handschrift / Einl. von Rudolf Sillib, Friedrich Panzer, Arthur Haseloff, Leipzig 1929
  • Die österr. Mode im 14. Jahrhundert nach den Gedichten Heinrich des Teichners. Dissertation von August Otto, Univ. Wien., 1935
  • Zeibig, Hartmann Joseph: Die kleine Klosterneuburger Chronik (1322-1428), Austr. 5238, Wien 1851
  • Gotik in Österreich, 19. Mai bis 15. Oktober 1967, Krems an der Donau. Ausstellungskatalog.
  • Karajan, Theodor Georg von (1855): Über Heinrich den Teichner, Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdr. (Digitalisat)

weitere von uns genützte Quellen zur Mode des 14. Jh. sowie österreichischen Kunst, etc. finden sich hier

Letzte Überarbeitung 7. Januar 2012

 

 

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