Pest aus medizinischer Sicht

Der Erreger

Bis 2011 war es nicht gesichert, ob es sich bei der großen europäischen Pestepidemie von 1347-1353 tatsächlich um den Erreger der Pest, Yersinia Pestis, oder doch eine andere Krankheit handelte, da Zeitzeugenberichte nicht immer eindeutig in der Beschreibung der Seuchen bzw. des Krankheitsbild sind und die klinische Sicht auf die, vom lateinischen Begriff „pestis“ oder „pestilentia“ abgeleitete, Pest vom 12. Jahrhundert bis ins Spätmittelalter bzw. die Frühneuzeit hinein auch andere Seuchen (z.B. Pocken, Typhus etc.) einschließen konnte.

Bereits im 14. Jahrhundert bürgerte sich in Italien die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ für die Pest ein, im deutschsprachigen Raum war dies erst später der Fall. Häufig findet sich in unseren Breiten die Bezeichnung „großes Sterben“ in den Quellen des 14. Jahrhunderts.

Im August 2011 wurde von der Uni Tübingen die Mitteilung herausgebracht, dass anhand des Zahnskeletts von 100 Skeletten des in den 1348er Jahren entstandenen Londoner Pestfriedhofs East Smithfield ein für die Virulenz des Pesterregers wichtiges Ringgenom dank modernster DNA-Untersuchungen eindeutig entschlüsselt worden war. Eine Zuordnung nach Asien als Ursprungsort des Keims, wie es auch die Schriftquellen der Zeit beschreiben, war ebenfalls möglich. In den Untersuchungen wurde weiters nachgewiesen, dass alle heutigen Peststämme sehr wahrscheinlich vom mittelalterlichen Pesterreger abstammen.

Krankheitsverlauf

Die Pest ist eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit. Der Erreger Yersinia pestis wurde von Alexandre Émile Jean Yersin 1894 entdeckt, jedoch erst 1967 nach ihm benannt. Forschungen ergaben, dass die Virulenz des Bakteriums von der Körpertemperatur des Wirtes abhängig ist, je höher diese ist, umso resistenter wird der Erreger gegen das Immunsystem des Wirtes.

Übertragen wurde die Pest durch den Biss des Rattenflohs (Xenopsylla cheopis) bzw. den Menschen selbst durch Tröpfcheninfektion.

Das zoonotische, d.h. in der Regel auf Nagetiere beschränkte, Bakterium wandert durch infiziertes Blut in den Rattenfloh. Dieser verlässt nur selten das Wirtstier. Stirbt dieses allerdings, kann es passieren, dass er als Zwischenwirt einen Menschen wählt. Wird dieser von einem infizierten Floh gebissen, kommt es zur Beulenpest.

Der weitere Seuchenverlauf wird durch die Übertragung des Bakteriums durch den Rattenfloh (X. cheopis, teils aber auch Nosopsyllus fasciatus bzw. Pulex Irritans) bzw. Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch bestimmt.

Man unterscheidet bei der Pest unterschiedliche Varianten:

  • Beulenpest: Sie ist die klassische und auch häufigste Form der Pest und auch als Bubonenpest bekannt. 2-6 Tage nach Infektion des Körpers durch einen Flohbiss oder dem Kontakt mit infizierten Personen zeigen sich Symptome wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Benommenheit, später auch Bewusstseinsstörungen. Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können ebenfalls auftreten. Am Auffälligsten und für diese Form der Pest namensgebend ist die stark schmerzende, extreme Schwellung der Lymphknoten und Lymphgefäße im Bereich der Achselhöhlen und Leisten zu sogenannten Bubonen. Diese Beulen können einen Durchmesser von bis zu zehn Zentimetern erreichen und sind aufgrund innerer Blutungen in den Lymphknoten blau-schwarz gefärbt. Die Geschwüre zerfallen, nachdem sie eitrig eingeschmolzen sind. Im Mittelalter war es gängige Praxis, diese Beulen aufzuschneiden, damit der Eiter abfließen kann. Unbehandelt verläuft die Beulenpest in ca. 2/3 der Fälle tödlich, eine Weiterentwicklung zur Pestsepsis und/oder Lungenpest ist wahrscheinlich.
  • Lungenpest: Die selten auftretende (primäre) Lungenpest ist eine sehr rasche, jedoch in 95% der Fälle tödlich verlaufende Krankheitsform. Übertragen wird sie primär durch Tröpfcheninfektion durch den direkten Kontakt zu einer erkrankten Person. Die Inkubationszeit beträgt 1-3 Tage, in welcher sich ein grippeartiger, fiebriger Zustand zu einer heftigen Lungenentzündung mit einem infektiösen, schwarz-blutigen  und sehr schmerzlichen Bluthusten entwickelt.  Atemnot und blauverfärbte Lippen lassen sich ebenfalls beobachten. Nach zwei bis fünf Tagen führt ein Lungenödem zu Kreislaufversagen und Tod.
    Die Lungenpest kann auch als sekundäre Form ausgelöst durch eine Beulenpest oder Pestsepsis auftreten. Hierbei gelangt der in der Blutbahn vorhandene Erreger in die Lunge.
  • Pestsepsis: Diese seltenere Form tritt auf, wenn zuviele Erreger in die Blutbahn gelangen, gegen die das Immunsystem des Körpers nicht mehr ankommt. Symptome sind Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl und Verdauungsstörungen, später auch Haut- und Organblutungen.  Nach Beendigung seines Lebenszyklus gibt das Bakterium ein toxischen Sekret ab, eine Blutvergiftung folgt. Nieren und Leber können bei dem Versuch, das Blut von den Toxinen zu reinigen, nekrotisch werden. Die Pestsepsis endet unbehandelt nach spätestens 36 Stunden toxischem Schock. Bis zur Entdeckung des Antibiotikas, welches die Sterblichkeit deutlich senkte, kam das Auftreten der Pestsepsis einem Todesurteil gleich.

Nach überstandener Infektion werden Antikörper gegen den Pesterreger gebildet, und es ist eine langanhaltende Immunität gegen alle Formen der Krankheit gegeben.


Das klinische Bild in den österreichischen Chroniken

Eine Beschreibung der Beobachtung der Symptome und des Krankheitsverlauf 1348/49 findet sich in der Neuburger Chronik. Die Beschreibung erwähnt die für die Bubonenpest typischen Symptome:

„Signa vero que prevenire solebant pestilentes fuerunt apostemata rubea variis maculis conspersa circa genitalia tumencia vel sub ascellis; et hii de quibus non erat confidencia evadendi, sangwinem excreabant. De talibus decumbentibus fetor pestiferus procedebat, inficiens ipsos visitantes et eis obsequium prestantes; et sepissime contigit quod uno mortuo in domo, omnes sucessive vita privarentur; ita quod in domibus qui inhabitaret minime reperiretur, et qui consangwinitate coniungebantur quasi naturali cursu simul interierunt.“ (Continuatio Novimontensis, p.675, 35-45)

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