Der Rock

Der Rock (oder Cotte im heute üblichen Sprachgebrauch) stellte die erste Schicht der Oberbekleidung dar. Als Grundmaterial diente normalerweise für einfache Bevölkerungsschichten Wolle. Im 14. Jahrhundert lag die Bindungsvorliebe bei Wollstoffen in Köperbindung (2/1, 2/2), sowie Tuchbindung, deren Musterung von einfärbig über verschiedenartig kariert oder gestreift rangierte. Der bis etwa ins 12. Jh. hinein sehr moderne Diamantköper ist im Fundgut des 14. Jh. europaweit eher rar und im Gesamtschnitt eher als regionaler Einzelfall anzusehen. In reicheren Schichten sind auch gemusterte Seidenstoffe, vorwiegend aus dem Handel aus Italien stammend,  als Importware im 14. Jahrhundert sehr beliebt gewesen, wie zahlreiche Abbildungen beweisen.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts trug Frau noch vermehrt Schlupfkleider: im 1. Viertel des 14. Jh. sind die Ärmel im Bereich des Oberarms eher weiter und verengten sich ab dem Ellbogen drastisch. Die Kleider werden meist ungegürtet getragen, aber auch gegürtet und teils oberhalb des Gürtels gerafft. Der Gürtel lag entweder in der Taille oder direkt unterhalb der Brust. Der Rock hat zumeist etwas mehr als Bodenlänge, einen Umstand der dazu führte, dass die Trägerin oftmals den Dreck und Staub mit der Schleppe aufkehre. Auch wenn man in der Kostümkunde eher erst im 14. Jh. vom Aufkommen der Schleppe ausgeht, kritisiert bereits im 12. Jh. Heinrich von Melk in seinem Gedicht „Von des tôdes gehugde“ (319-325) diese Unsitte beim weiblichen Geschlecht.

Durch die Verbesserung der Schnittechnik wird der Ärmel im Verlauf des. 2. Viertel des 14. Jh. zunehmend auch im Oberarmbereich enger, eine erste Tendenz zur Verwendung Technik der Armkugel ist zu beobachten. Die Ärmelnaht verläuft für den besseren Sitz auf der Rückseite des Arms, d.h. über den Ellbogen.

Spätestens ab etwa 1310 herum schwappte die – Ende des 13. Jahrhunderts zuerst in der Männermode aufkommende – Knopfmode als Verschlussvariante (und nicht mehr wie anfangs nur als dekoratives Element) auf die österreichische Frauenmode über, gepaart mit einer zunehmenden noch stärkeren Verengung des Ärmels im Bereich des Unterarms. Den Abbildungen und Skulpturen nach (und Österreichs Kunststil galt bis Mitte des 14. Jh. eher als konservativ-klassisch) wurden die Ärmel jedoch bis um 1350 primär erstmals nur im Bereich des Unterarms geknöpft, vereinzelt gibt es aber auch bereits frontal bis etwa zur Taille geknöpfte Kleider.

Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die Kleider in Europa zur besseren Anpassung an die Silhouette, wie in der Männerkleidung, auch zunehmend frontal bis zum Hüftbereich durchgeknöpft (siehe auch in der Einleitung die Textquelle aus der Reimchronik) bzw. mit dem letzten Viertel auch zunehmend geschnürt. Eine Übernahme in die österreichische Mode ist durch das mangelnde Bildmaterial für diese Zeit zwar nicht eindeutig nachweisbar, aber sehr wahrscheinlich.

Der Halsausschnitt war Mitte des 14. Jh. bereits recht ausladend – er konnte seitlich etwa bis zum Übergang des Schlüsselbeins-Schulter reichen.  Dieser „skandalöse“ Trend veranlasste die Obrigkeiten deutscher Städte auch zur Begrenzung des Ausschnitts auf etwa zwei Finger unter der Halskuhle. Ob es in Österreich um 1380 (vgl. Grupps Kulturgeschichte) etwas ähnliches gab, ist heute leider aufgrund der für diesen Zeitraum vermutlich während der Weltkriege verschollenen stadtgeschichtlichen Dokumente nicht mehr nachweisbar.

Trotzdem erweiterte sich der Ausschnitt weiter, bis die Kleider um 1380-1390 herum, gehalten durch raffinierte Schnittechnik, zum Teil nur mehr am Schultergelenk anlagen.

1410 findet sich in der Klosterneuburger Chronik folgende Textstelle, welche sich vermutlich auf Knöpfe/Knebel oder eine Schnürung im Rücken/Genickbereich bezieht, aber durch Bildquellen rund um die Jahrhunderwende bis dato nicht eindeutig  interpretierbar ist, auch wenn Knöpfe und Schnürungen per sé für die Zeitschiene bei beiderlei Geschlechtern sehr beliebt gewesen sind, wie diverse Quellen besonders vorne und seitlich sowie an den Ärmeln (vgl. z.B. Sebaldus-Kirche u.a.) zeigen:

„Anno 1410 und ettlich jar darver truegen gemainnlich all edelleut von erst, darnach die burger und handtwerckher ire khneiffel hinden auf dem ruekh oder gnäkh an allem iren gewandt und etlich frauen namen sich des auch an.“ (Zeibig, S.15)

Heinrich der Teichner übt auch hier wieder heftige Kritik an der Hoffart der Frauen, im Brustbereich Stoff großzügig wegzulassen, und dafür als Schleppe anzustückeln:

„.. da gingen frawn nach glust / schon gedeckt hals und prust / das sy sich nicht plos zaygent /…/ dass dy frawn nu plos gannt / auf gerakcht als ee die man / das man schaw was ay han / manige hat ain pusen lug / man für dar durch mit dem phlug / das man etwas sehen tuet / das vil pesser wär pehuet..“ (C, 274a, 24-30)

„.. weilent waz sin ain weipleich er / daz ain fraw verdekht gie / mit den chlaidern dort vnn hie / daz man prüstel noch den leib / mindert sach an an chainem weiß/ ez must gar verporgen sein / nu mussent achsel vnn orüstlein / fürher scheinen auf allen zil / nu dunkcht mich ains peser vil / die grossen säm an chlaidern niden / die solt man hin fuder liden / unn machtz oben für die prust/…“ (C 151b, 45-56)

Die Statuen des Wr. Stephansdom von Johanna von Pfirt und Katharina von Böhmen (datiert um 1360/65, heute im Wien Museum) weisen bereits entblößte Schultern auf.

Seinen Schilderungen konnten Rock und Suckl mit einer Schleppe ausgestattet werden, nicht selten wurden zwei Schleppen übereinander getragen. Die Prunksucht ging soweit, dass die Frau des Hauses statt auf die Schlepper lieber darauf verzichtete, ihre Untergebenen wie sie verpflichtet war, angemessen zu kleiden.

Ähnliches schilderte auch Heinrich von Langenstein,  ab 1384 Rektor an der 1365 gegründeten Universität Wien zum Zustand des Schleppen-Wahns der Wiener Frauen.

  Bildquellenverzeichnis:
  • Stiftsarchiv Zwettl 2-1, 1310-1311, fol. 8r.
  • Speculum Humanae Salvationis, 1330-1340;  Cod. 2612, fol. 33r., 36 r., 40v., 43r.
  • Österreichische Nationalbibliothek Wien, 1330-1340;  Cod.1198, fol.. 8r.
  • Maria Laach; 1345-1355; Cod. 2069, fol. 24 v.,
  • Concordantiae caritatis, 1349-1351; Cod. 151, 11v., 181 v.

Alle historischen Bildquellen aus der Bildatenbank des ImaReals mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Krems.

 

 

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