Das erste Portrait des Abendlandes – Rudolf IV
Der Wiener Domschatz – das stellten wir am letzten Wochenende fest – ist eine echte Empfehlung für alle Mittelalterdarsteller und solche die es noch werden wollen. Eines der schönsten und vor allem wichtigsten Stücke der Sammlung ist aber dieses Portrait hier.
Warum? Ich erkläre es euch hier.
Warum? Ich erkläre es euch hier.
Zunächst zahlt es sich einmal aus, zu erzählen, wer auf diesem Portrait überhaupt zu sehen ist. Dieser fesche junge Kerl mit dem 3-Tage Bart ist Rudolf IV von Österreich, seines Zeichens der 3. Herzog in der habsburgischen Erbfolge und Sohn von Albrecht II und seiner schönen französischen Frau Johanna von Pfirt.
Sein Vater war bereits 41 Jahre alt, als Rudolf als erstes Kind des Ehepaares geboren wurde und immerhin schon 15 Jahre verheiratet, ein sehr später Start in die Elternschaft in dieser Zeit. Johanna erlitt 5 Fehlgeburten bevor sie endlich ihren gesunden Sohn im Arm halten konnte.
Im Volk freilich gab es keinen Zweifel, dass der späte Kindersegen einer Wallfahrt von Albrecht um 1337 zu verdanken war.
Johanna, eine kluge und tugendreiche Frau verstarb, als Rudolf 12 war bei der Geburt seines Bruders Leopold, immerhin schon im Alter von 51 Jahren, jedoch als Mutter von 5 Kindern.
Im Alter von 19 Jahren übernahm Rudolf die Krone von seinem Vater. Weil ihn dieser – sein eigenes Alter berücksichtigend – schon früh in die Regierungsgeschäfte miteinbezog, war Rudolf ein sehr fähiger und selbstbewusster junger Herrscher. Ihm zur Seite stand die erst 16-jährige Katharina von Luxemburg, die sein schlauer Vater Albrecht schon früh (im Säuglingsalter) bei ihrem Vater, Karl von Luxemburg, dem Nachfolger auf den Tron von Böhmen und später römisch-deutscher Kaiser, angeworben hatte und die im Alter von 6 Jahren bereits mit ihm verlobt gewesen war. Eine äußerst günstige Verbindung für Rudolf und doch eine ständige Provokation, war Karl’s Erbe und Schaffen doch immer dem Schaffen Rudolf’s einen Schritt voraus.
Seinen Schwiegervater im Blick wurde Rudolf sehr ehrgeizig, was Wien betraf. Er wollte der Stadt eine ähnliche Wichtigkeit geben, wie Prag es bereits hatte. Dabei griff er teils zu zwielichten Methoden. Er begann den Ausbau des Wiener Stephansdoms und verlieh dessen Geistlichen den Titel eines Metropolitankapitels (also eines Bischofssitzes) und weil im Mittelalter (und in Österreich) nichts über Titel und Klamotten geht, waren die Oberhäupter dieses Kapitels von nun an „Erzkanzler von Österreich“ und trugen rotes Ordinat (wie Kardinäle eben). Natürlich bedeutete das so gut wie gar nichts, kam doch vom Vatikan niemals auch nur mehr als ein müdes Lächeln als Reaktion. Die Passauer Bischöfe, denen Wien tatsächlich unterstellt war, hatten einfach die besseren Connections zum Oberhaupt der Kirche in Rom.
Ähnlich verfuhr er mit seinen weltlichen Ansprüchen. Wo keine waren, musste er eben welche erfinden. Denn der österreichische Herzog durfte – trotz enger familiärer Verbindung zum deutschen Kaiser – nicht mitreden bei den großen wahlberechtigten Kurfürsten.
Per gefälschten Dokumenten (dem sogenannten Privilegium maius), in denen angeblich Julius Cäsar und Nero persönlich dem Österreichischen Herzogtum königsähnliche Privilegien zusprachen, versuchte er bei seinem Schwiegervater Karl (damals bereits römisch-deutscher Kaiser) seine Ansprüche geltend zu machen, doch auch der hatte nur ein müdes Lächeln für die Fälschung übrig, die sein italienischer Berater Petrarca (ja, DER Petrarca) leicht entlarvte.
Nichtsdestotrotz sind Rudolf auch echte Errungenschaften zu verdanken, dass sich das österreichische Herrschaftsgebiet immens ausbreitete zB. Er gründete auch die erste Universität in Wien (um der Karlsuniversität in Prag Konkurrenz zu machen) und trieb den heute bekannten Ausbau des Wiener Stephansdoms voran (in Konkurrenz zum Prager Veitsdom). Aber ich empfehle einen Blick auf Wikipedia zum Überblick seiner Bautätigkeiten.
Er starb sehr plötzlich mit nur 26 Jahren kinderlos bei einer Reise in Mailand. In diesem Alter litt er bereits an einer beginnenden Lähmung der rechten Gesichtshälfte. Und hier kommen wir übrigens zu unserem Portrait zurück, diese Gesichtslähmung hat der unbekannte Maler nämlich sehr gut eingefangen.
Warum ist es nun so außergewöhnlich?
Nun, zunächst einmal sieht man darauf einen weiteren von Rudolf’s kleinen „Tricks“, um sich selbst und seinem Herzogtum Wichtigkeit zu verschaffen. Die Krone, die er auf dem Kopf hat ist nämlich (zu seiner Zeit) nicht existent und reine Erfindung. Sie wird später noch einmal aufgegriffen in einem Exemplar des Privilegium maius (das es im 15. Jhdt doch noch zur Anerkennung geschafft hat) und diente letztlich als Designvorbild für den österreichischen Erzherzogshut.
Das eigentlich sensationelle daran ist allerdings das Bild selbst. Das erste Mal hatte man in Europa ein Gesicht so detailliert und perspektivisch und vor allem frontal dargestellt. Alle Herrscher vor Rudolf bildete man in Statuen oder szenischen Darstellungen ab. Dabei lag der Fokus aber immer auf der Wichtigkeit und Position des Abgebildeten, die durch entsprechende Kleidung, Insiginien und dazugehörige andere wichtige Personen und Familienmitglieder dargestellt wird. In Rom war auch populär, das Profil von wichtigen Persönlichkeiten abzubilden. Diese Abbildungen sind aber selten lebendig und realistisch.
Es war nie wirklich vorrangig, wie diese Herrscher tatsächlich aussahen, wer sie sozusagen als Mensch und eigenständige Person waren. Ein frontales Portrait wie das von Rudolf aber fängt alle Gesichtszüge eines Menschen ein, es zeigt nur wenig von seiner Kleidung, von seinen Untergebenen und von seinen Taten. Es zeigt nur den Menschen selbst.
Warum also fängt man gerade jetzt damit an, solche feinfühligen Abbildungen von sich selbst erstellen zu lassen?
Eine Theorie, die Harry Kühnel in seinem Werk Alltag im Spätmittelalter vorbringt ist, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert hatte in der Mitte des 14. Jhdts.
Rudolf selbst war Zeuge der verheerenden ersten Pestwelle Europas, ein Ereignis, das auch ihn mit damals 10 Jahren in seiner ganzen Mächtigkeit erschüttert haben muss. In diesen Monaten wurde allen Menschen in Wien vor Augen geführt, wie gnadenlos der Tod wirklich war, wie er weder Priester noch Kinder noch Adelige verschonte. Die Pest und die Katastrophenjahre in Österreich führten den Menschen vor Augen, wie zerbrechlich ihr eigenes Leben war und wie wenig davon übrig blieb, wenn man starb. Und es war dieses Bewusstsein, das sie umdenken ließ. Was hinterlasse ich, wenn ich von dieser Welt gehe? Welche meiner Werke werden ungetan bleiben? Wer von meinen Liebsten wird übrig sein? Wer wird sich an mich erinnern?
Es war in dieser Zeit, dass viele, die das Geld hatten, Stiftungen tätigten für den Bau von den eigenen Tod überlebenden Bauten, dass sie ihre Wappen gegen Geld in Kirchen aufhängen ließen, um sich selbst zu verewigen und es war auch in dieser Zeit, dass man begann, ein Stück seiner Seele und seines Äußeren einfangen zu lassen, um es für die Nachwelt zu erhalten. Und es mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass Rudolf durch seine großen Ausgaben und Aufwendungen für den Stephansdom, für die Universität und für sein Herzogtum als „Der Stifter“ bekannt wurde. Er schuf – nicht nur mit diesem Portrait – etwas, das ihn überdauerte.
Zum Weiterlesen in Sachen Portrait
Ein Zeitgenosse Rudolfs mit seinem Portrait