Schwangerschaft & Geburt


Schwanger werden

Um als Frau eine Schwangerschaft, bevorzugt mit einem männlichen Nachkommen, auch gewSchwangerschafts und Stillkleidährleisten zu können, griff man auf verschiedenste, auf Aberglaube, Religion und heilkundlichem Wissen basierende Rezepte zurück, wie man eine Schwangerschaft einleiten oder aber auch das Geschlecht des Kindes bestimmen könne. Zwar wurden diese von der Kirche angezweifelt bzw. verboten, hinderte die Menschen jedoch nicht an ihrer Anwendung.

So solle man einer süddt.-österr. Handschrift des 15. Jh. zufolge zum Schwanger werden einen Hasen- und Rehmagen zu Asche verbrennen, mit Wein mischen und sowohl Mann als auch Frau zu trinken geben. Zur Bestimmung einer Schwangerschaft gieße man den weiblichen Urin über eine wilde Pappel (Ast?) – wird er binnen drei Tagen dürr, ist die Frau nicht schwanger, wird er grün so ist sie schwanger.

Gleichermaßen gab es auch diverse volkstümliche und aus dem Aberglauben stammende Mittelchen, welche eine Schwangerschaft vermeiden sollten.

Der Umgang mit „Schwangerschaftswehwechen“ bzw. Bedürfnissen von Schwangeren

Bereits mittelalterliche Medici und Gelehrten war der Zusammenhang zwischen der Ernährung während einer Schwangerschaft und der Entwicklung des Fötus bewusst, die Art der Literatur diesbezüglich ist jedoch nicht griechisch-antiker Herkunft , sondern kam erst im 5.-7. Jh. etwa über byzantinische Gelehrte wie  Oribasius, Aetius of Amida, and Paul of Aegina auf, deren Fokus jedoch nach wie vor auf Komplikationen und deren Korrektur lag.

In der antiken Hindu-Medizin (z.B. Ayurveda of Susruta), welche sich auch der Morgenübelkeit und ungewöhnlichen Esssucht als Bestandteil einer Schwangerschaft bewusst war, ist die Bedeutung der Ernährung (unterteilt entsprechend der verschiedenen Stadien der Schwangerschaft) und den allgemeinen guten emotionalen und körperlichen Zustand der Schwangeren bereits bekannt, es wurde sogar von gewissen Lebensmitteln abgeraten, da sie unter Umständen eine Fehl- oder Frühgeburt verursachen können. Insgesamt ist die Hindu-Literatur der griechischen Literatur zur Schwangerschaft deutlich voraus bzw. beschreibt diese auch detaillierter.

Fraglich ist aber wie weit dieses Hindu-Wissen schlussendlich über die medizinischen Werke der islamischen Gelehrten Einzug in Europas Wissenszentren hielt.

Hippocrates in seinem Corpus Hippocraticum wiederholt in seinem Kommentar zu „Wehwechen“ von Schwangeren, mehrmals, dass Fehler in der Ernährung zu Fehlgeburten führen. Frauen, welche unter Appetitlosigkeit oder Ohnmachtsanfällen leiden, zuviel oder zu wenig essen riskieren ebenfalls eine Fehlgeburt, wie auch Frauen, welche in der Frühschwangerschaft ätzende und bittere Lebensmittel, an die sie nicht gewöhnt sind, oder Sachen, welche ihren Magen beleidigen, zu sich nehmen. Die Begeisterung für seltsame Essenskombinationen und eine übelkeits- und appetitlosigkeitbedingte geringere Nahrungsaufnahme sind auch ihm bekannt. Auch weist er darauf hin, dass die Gelüste einer Mutter nach Dingen, die normalerweise nicht als Lebensmittel fungieren (z.B. Erde, Kohle), üble Konsequenzen für den Fötus haben kann.

Dieses seltsame Gelüst beschreibt auch Galen, er führt es auf eine extrem schlechtes Humoralverteilung zurück, welche dazu führt, dass die Schwangere vorwiegend sehr saure, ätzende oder bittere Nahrungsmittel aufnimmt, wie z.B. cimolische Erde (eine Art Tonerde, welche Plinius zufolge zum Waschen von Leinengewand genützt wurde, auch als Walkererde bzw. Fullererde bekannt), Schalen, gelöschte Kohlen oder seltsames Essen.   Im 4. Monat folgt auf diese Phase die Zeit des Erbrechens und Übelkeit.

Bereits der antike Autor Plinius deutete diese Übelkeit und andere Wehwechen als typische Anzeichen einer Schwangerschaft: 10 Tage nach Empfängnis kommt es zu Kopfweh, Schwindel und Schwachsichtigkeit, Appetitlosigkeit und Erbrechen. Auch wenn er sich sonst nichts zur Ernährung schreibt, so erwähnt er, dass eine zu salzreiche Ernährung der Mutter dazu führt, das das Kind ohne Nägel geboren wird.

Soranus von Ephesos (2. Jh. AD) bestätigt diese Beobachtungen. Seinen Beobachtungen nach beginnt die Übelkeit in der Regel im 2. Monat der Schwangerschaft und kann in einzelnen Fällen bis fast zur Geburt anhalten. Zur Behandlung empfiehlt er gelegentliche Fastentage, oder wenn dies nicht möglich ist, mehrere kleine Mahlzeiten, zu welchen zuvor Wasser und danach Wein getrunken wird, sowie trockene und astringente Nahrungsmittel.

Oribasius (4. Jh. AD, Synopsis) nennt auch Behandlungsmethoden für die Schwangerschaftwehwechen: gegen Erbrechen und Überessen empfiehlt er Spaziergänge, nicht zu bittere oder zu süße Lebensmittel, leichte Weißweine (möglichst fünf Jahre alt), sparsames trinken, eine Medizin, welche vor und nach dem Essen eingenommen wird, sowie Bauchwickel. Sodbrennen kann mit kleinen Schlucken warmes Wasser, gemütlichen Spaziergängen sowie auf den Bauch gelegter weicher Wolle behandelt werden. Arbeit und ausgiebige Ausflüge fördern den Appetit der Schwangeren. Übelkeit wird u.a. mit pikantem Essen besser. Füllige Frauen, welche unter Übelkeit leiden, sollten geegentlich beißende Dinge, vor allem Senf essen. Oribasius bietet auch verschiedene Behandlungen für Fußödeme.

Aetius („On the Management of the Pregnant Woman, According to Aspasia“)empfiehlt Schwangeren weiters eine überschaubare Aufnahme von Lebensmitteln, welche passend für den Magen sind, Ausflüge in der Sänfte, kurze Spaziergänge, vorsichtige Massagen und Wolle spinnen.

Die Geburtseinleitung

Ist eine Frau schwanger, so solle man einen Brief schreiben, diesen der Frau um den Bauch oder unterhalb des Knies ans Bein bzw. ans Handgelenk binden. Wenn sie dann gebärt, so soll der Brief hergenommen und ein spezielles Gebet an Jesus Christus, die Heiligen und die Jungfrau Maria sprechen um das Kind „hervorzulocken“. Und eine Möglichkeit um die Geburt anzuregen wäre es, der Gebärenden Muttermilch einer anderen Frau einzuflößen, ihr dieses Wissen über die Herkunft der Milch jedoch zu verheimlichen.

Abort und Fehlgeburt

Ebenso wie heute stellte der Tod des Fötus im Mutterleib eine nicht ausser Acht zu lassende Komplikation während einer Schwangerschaft dar. In diesem Fall wurde versucht, den Fötus mit Kräuterbädern und Einleiten von Dämpfen oder Flüssigkeiten in die Gebärmutter auszutreiben, half dies alles nichts, versuchte die Hebamme den toten Fötus mit Hilfe eines Spiegels und eines Hakens aus dem Uterus zu ziehen, was ein hohes Infektionsrisiko für die Mutter darstellte. Standen Hebammen vor der Wahl zwischen dem Leben des Fötus oder der Mutter, wurde meist der Mutter der Vorzug gegeben.

Wochenbett:

Bis zur Aufhebung des Zustandes der Unreinheit, bei der die frischgebackene Mutter nach der Geburt in einer Zeremonie durch die Kirche geführt wurde, verblieb die Frau im Wochenbett. Je nach gesellschaftlichen Standes bedeutete dies eine Zeit der Besuche und Geschenke, zumeist aber wieder eine möglichst rasche Rückkehr zur Arbeit.

Mittelalterliche Bildquellen zum Thema findet ihr hier: Bildsammlung Schwangerschaft & Geburt

 

Quellen:

  • Weber-Kellermann, Ingeborg (1997): Die Kindheit. Eine Kulturgeschichte. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Insel-Verl (Insel-Taschenbuch, 1972)
  • Melitta Weis-Amer: Medieval Women’s Guides to Food during Pregnancy: Origins, Texts, and Traditions*(PDF)
  • Sandra Schmidt: Die Kindheit im Mittelalter (Universität Salzburg, SS1999, Institut für Geschichte)
  • Kühnel, Harry; Hundsbichler, Helmut (1986): Alltag im Spätmittelalter. 2., verb. Darmstadt: Wiss. Buchges.
  • Šaḥar, Šûlammît: Kindheit im Mittelalter. 1991, Artemis & Winkler Verlag: München.

 

 

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