Belvedere-Besuch – oder: ein altbekanntes Problem

19.11.2012 von Rotschopf in Kunst, Treffen und Ausflüge

Ein aktueller Besuch bringt mich auf ein altes und leidiges Thema…

Es ist ja eigentlich schon fast eine Schande, es zuzugeben, aber Firi und ich haben es bis jetzt noch nicht so richtig in den Prunkstall im Belvedere geschafft, wo ja die mittelalterlichen Werke der Sammlung ausgestellt werden. Der überwiegende Teil der Gemälde und Statuen ist zwar aus dem 15. Jhdt und teils auch der frühen Renaissance, allerdings verstecken sich auch ein oder zwei Werke aus dem 14. Jhdt darin.

Schon am Eingang waren wir enttäuscht, denn ein Schild ermahnte uns, dass strenges Fotografierverbot herrscht. Macht nichts, dachten wir uns, wir schaun jetzt mal rein und danach klappern wir den Shop nach Literatur ab.

Die Sammlung ist ein wahrer Schatz für Darsteller, allerdings nicht für das 14. Jhdt. Dafür überraschten uns aber die wenigen ausgestellten Stücke wirklich. Wir machten zwei Entdeckungen, die uns sicher noch etwas beschäftigen werden und ich will nicht zu viel verraten, denn dazu wird es sicher noch einen extra Artikel geben. Nur soviel: modisch gesehen gab es wieder ein paar neue Erkenntnisse für uns!

Aber leider saßen wir bezüglich Informationen auf dem Trockenen. Eine besonders interessante Statue beispielsweise war mit „Unbekannter österreichischer Künstler, Thronende Madonna 1310-1320“ beschrieben. Punkt aus. Keine Information über die Besonderheit des abgebildeten, den Grund, warum sie aus der umfangreichen Sammlung ausgewählt wurde, hier gezeigt zu werden, was es hier zu sehen gibt oder welche Geschichte das Stück hinter sich hat.

Vergeblich durchsuchten wir den Shop nach Ausstellungskatalogen, kaufbaren Fotos oder ähnlichem, wurden aber nicht fündig. Auf Nachfrage, ob es für so ein wichtiges Museum wie das Belvedere denn keinen zu erwerbenden Ausstellungskatalog oder eine wissenschaftliche Aufarbeitung gäbe, konnte man uns an der Information keine weiteren Informationen geben. Ob man denn eine Sondergenehmigung für Fotos erhalten könne, fragten wir und bekamen ein Schulterzucken und ein „keine Ahnung“ von den Angestellten.

Leider stellte sich auch im Anschluss auf Nachfrage in der Verwaltung des Museums heraus, dass Sondergenehmigungen für Fotos nicht ausgegeben werden. Wir hoffen jetzt auf Infos, die uns das Museum selbst zur Verfügung stellen kann.

Leider ist dies kein Einzelfall. Ein weiteres Beispiel einer Reihe von frustrierenden Erlebnissen, die wir mit der Zeit als Darsteller erleben mussten.

Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass es gerade in einem doch eigentlich wirtschaftlich stabilen und hochentwickelten Land wie Österreich, das so viel Wert auf die Vermarktung seiner Geschichte und Kultur legt, Informationen derart schwer zugänglich sind. Dass so wenig investiert wird in die Bildung der einheimischen Bevölkerung.

Teilweise sehr bekannte Orte, Objekte oder Funde halten einer Fragestellung, die von einem tiefer interessierten Besucher oder Hobbyisten ausgeht, oft nicht stand. So gibt es beispielsweise eine Publikation mit Fotos mittelalterlicher Wiener Keramik im Handel, allerdings hat sich seit der Ausgrabung des Fundes offenbar niemand die Mühe gemacht, die Gefäße einmal ordentlich abzumessen. Etwas, das uns schwer verwundert, gehört es für uns doch zum alltäglichen Handwerk des Archäologen dazu und ist doch historische Keramik nichts, was man eben so mal als Einschlaflektüre liest. Man darf schon davon ausgehen, dass jemand, der sich solch eine Publikation zulegt, näher interessiert ist als an einem Foto mit nichtssagender Beschreibung.

Was in Wiens Fund- und Kunst-Archiven liegt und seit der ersten Einlagerung nicht mehr angeschaut wurde, mag unsereins gar nicht zu erahnen. Und das meine ich absolut wörtlich.

Dabei können wir die einzelnen musealen und archivarischen Institutionen nicht verantwortlich machen. Denn es liegt nicht daran, dass die Menschen, die für die Ausgrabungen und Erforschung und Veröffentlichung zuständig sind, nicht wollen. Denen sind die überarbeiteten Hände gebunden. Man versucht nur noch, mit Notgrabungen hinterher zu kommen und zu retten, was gerade aktuell ist, an gezielte Erforschung und Grabung ist oft nicht einmal zu denken.

Es liegt, wie so oft, am Geld. Publikationen, Vollzeitforscher und Archivmitarbeiter kosten Geld, das der österreichische Staat nicht ausgeben will und kann. Ich kann euch nur beschreiben, was meine Mutter, selbst Museumsleiterin und Archivar mir auch immer wieder erzählt. „Das interessiert nicht genügend Leute, das lockt nicht genügend Besucher, dafür krieg ich kein Budget, also bleibt es liegen.“

Nachlassurkunden aus mittelalterlicher Zeit bringen keine Publicity und keine zahlenden Besucher. Ein Schüttbild aus Blut und Exkrementen von fragwürdigen „Künstlern“ der Moderne schon.

Wehmütig blicken wir da zum Beispiel nach England, wo viel Geld für viel Kultur vorhanden ist. Dort ist beispielsweise auch jedes öffentlich geführte Museum gratis zugänglich. Ein Umstand, von dem man bei 10 oder mehr EUR-Eintritten in Wien nur träumen kann. Dort gibt es nämlich statt der bei uns üblichen Kirchensteuer eine Kultur- Abgabe, mit der in Großbritannien eine Menge Projekte finanziert werden können.

Rechnerisch eine schöne Sache. Wenn jeder erwerbstätige Österreicher die 250 EUR im Jahr, die er für eine nicht-staatliche Institution ausgibt, die sich in anderen Ländern von selbst weiterbringen kann, in einen zweckgebundenen Kultur-Topf werfen würde, wäre das eine Milliarde EUR pro Jahr. Und was man damit alles für die Volksbildung tun könnte…

Aber was sudere ich euch die Ohren voll. Ich kann nur aufrufen zu immer und immer wiederkehrenden Interessensbekundungen bei den zuständigen Stellen. Wenn sich genügend Menschen melden und genügend Menschen fragen, wünschen und fordern, vielleicht wird dann ein schnöder Keramikfund wieder interessant und erforschens- „wert“.