Mut zur Selbstkritik
Wir möchten hier einmal festhalten, dass wir nicht perfekt sind und auch niemals behauptet haben, dies zu sein.
Ja, wir sind unperfekt und deshalb machen wir das Hobby auch noch gern. Wieso sollte man ein Hobby wie die Living History betreiben, wenn man alles gelesen, alles gemacht und alles erlebt hat? Das Schöne daran ist doch das Lernen, das neu-Kennenlernen und das überrascht werden!
Unser Hobby besteht aus einem ständigen Kreislauf des schmerzhaften (weil gegen den eigenen Stolz stoßenden) sich-selbst-verbesserns. Wie ein Freund einmal sagte: „Als Reenactor hast du nur zwei Arten von Erlebnissen. Das ‚hab ich’s doch gewusst‘-Erlebnis und das ‚Scheiße, ich lag falsch‘-Erlebnis.“
Was viele aber nicht verstehen ist, dass für uns beide Erlebnisse erfreuliche sind, weil sie uns der Erfahrung „Geschichte nacherleben“ beide ein Stück näher bringen.
Der Weg zur Perfektion ist bei der Living History keine Gerade, sondern eine Asymptote, eine niemals vollendete Annäherung.
Wir selbst tun nur so viel, wie uns unsere Arbeit und unser restliches Privatleben an Zeit geben, um unsere Darstellung aufzubauen. Wenn’s um die Familie, unsere Jobs und unsere Hygiene oder persönliche Sicherheit geht, dann ist für uns Schluss mit A. Wir sind Menschen des 21. Jhdts. und angesichts dessen, was wir über das Mittelalter wissen, möchten wir damals nicht gelebt haben.
Sicher hätten wir gerne unsere eigene Schafweide, damit wir die rückgezüchteten Schafe darauf selbst scheren, ihre Wolle waschen, kardieren und spinnen und dann zu Stoff verarbeiten können, den wir dann im nach Fund gearbeiteten Kessel über dem Feuer Pflanzen-färben können und ihn dann mit Messingnadeln und selbstgesponnenem Leinengarn zu Kleidung nach Originalschnitt verarbeiten zu können. Das ist ein Traum, den wir alle hegen und uns vermutlich nie erfüllen. Denn uns fehlt Zeit, Platz und vor allem das Geld, um dies zu verwirklichen. Und wenn uns jemand sagt, er hat nicht das Geld oder die Zeit, oder die Möglichkeiten, um es richtig zu machen, er es aber so gut versucht, wie es ihm möglich ist, dann werden wir niemals auch nur ein Wort sagen.
Wir haben alle einmal angefangen und wir haben auch unsere Vorbilder, deren Professionalität wir einmal erreichen möchten.
Christina und Agnes und Andrea in den alten Tagen
Wenn ihr vor uns steht in der pflanzengefärbten und handgenähten Cotte und uns von euren neuen wendegenähten Schuhen erzählt, dann werden wir nicht nahe rangehen und prüfen, ob eure Köperwebart auch passend ist. Wir werden nicht mit dem Finger auf euch zeigen, wenn ihr moderne Brillen tragt und wir werden auch nicht laut aufschreien, wenn ihr einen Paternoster mit lackierten Holzperlen tragt. Wir werden euch unterstützen und Austausch mit euch halten und ihr könnt unbeschränkt alles von uns haben, was wir selbst zum Thema wissen, in der Hoffnung, dass ihr einmal auch uns auf unserem Weg helfen werdet können.
Was uns ärgert, das sind Menschen, die bildungsresistent und lesefaul sind, die selbst wenn sie gesagt bekommen, wie es leicht und günstig richtig geht, keinen Drang zur Verbesserung haben. Es sind Menschen, die sich damit brüsken, 2 Bücher mit 200(!) Seiten gelesen zu haben und dann Laien auf die Nase binden, was sie täten hätte auch nur entfernt etwas mit Geschichte zu tun. Und es sind Menschen, die auf Nachfrage Sätze wie „Es kann eh nie jemand perfekt werden“ oder „Beweis mir, dass es nicht so gewesen ist“ herbeiziehen. Menschen, die im Zeitalter freier Information aus dem Internet nicht mal Wikipedia zu Rate ziehen, bevor sie etwas tun oder um viel Geld etwas kaufen und die, was das schlimmste ist, dieses falsche Wissen auch noch an Hobby-Neueinsteiger weitergeben. Mit diesen Menschen möchten wir nichts gemeisam haben.
in diesem Sinne: „The best is yet to come“