Keine textile Pracht ohne Goldlahn
Heute nur noch für Klosterarbeiten und die Herstellung von Goldhauben als Trachtenbestandteil bekannt, nahm der Goldlahn im Mittelalter einen großen Stellenwert in der Textilbearbeitung ein. Besagter Goldfaden besteht aus einer sog. „Seele“, einem Faden beispielsweise aus Seide, der sehr fest mit einem hauchdünnen Metallstreifen aus Gold oder Silber (= Lahn) umwickelt wird. Dabei handelt es sich um eine sehr alte Technik, die weit über die Zeitgrenze des beginnenden Mittelalters hinaus geht und Quellen zufolge bereits vor 4.500 Jahren von den Ägyptern ausgeübt wurde. Die prächtigen Gewänder reicher und adeliger Personen waren häufig mit Goldlahn geschmückt, wobei es ganz unterschiedliche Verarbeitungsarten gab:
- Bestickt, zumeist in der Anlegetechnik,
- mit Bändern, in die Goldfäden gewebt sind, verziert oder
- den Goldfaden als Kettfaden direkt im Stoff verwoben
Zahlreiche Funde spannen einen großen zeitlichen Bogen, was die Häufigkeit dieser Gestaltungstechnik angeht. So stieß man in Österreich bei der Erforschung frühmittelalterlicher Gräber(felder) aus der Zeit zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert immer wieder auch auf Goldfäden, die – in Ermangelung erhalten gebliebener Stoffe – als Kleidungsbesatz gedeutet werden, genauso gut aber auch in Textilien eingewebt gewesen sein könnten. Da es sich dabei um ausgesprochen teures Material handelt, muss es sich bei den Besitzern derartiger Gewänder um bedeutende, sozial hochstehende bzw. reiche Personen gehandelt haben.
Da darf es nicht wundern, dass die im Dom zu Speyer bestatteten Kaiser und ihre dazugehörigen Damen in ganz besondere Gewänder gehüllt waren. Bei einer in den letzten Jahren sehr intensiv betriebenen Erforschung der kaiserlichen Gräber aus der Periode 11. – 13. Jhd. stießen die Forscher auf aufwendig gestaltete Kleidungsstücke größtenteils aus Seide, die großzügig mit Perlen oder mit Goldlahn bestickt waren. Auch mit Goldfäden broschierte Brettchenborten fanden sich unter den Zierelementen für Besätze und Säume.
Auch in Österreich gelangen den Archäologen bereits Ende der 60er Jahre im Bereich Hochmittelalter mit der Freilegung eines Gräberfeldes in Villach-Judendorf eine sensationelle und vor allem sehr seltene Entdeckung. Bei den Grabungen kamen zahlreiche Varianten luxuriösen Kopfputzes des 13. Jahrhunderts, darunter mehrere Goldhauben, ans Tageslicht, die heute im Villacher Stadtmuseum (Bild: 4. Reihe, 2. Foto von links) zu besichtigen sind. Die Hauben befanden sich aufgrund der sauerstoffarmen Lagerung im Boden in einem außergewöhnlich guten Zustand und erlaubten so eine genaue Erforschung der Herstellungstechnik und Materialien. Auffällig war dabei allgemein, unabhängig vom Fundort, die Zartheit des verwendeten Goldfadens, den geschickte Frauenhände im Mittelalter zu einem Durchmesser von nur 0,2 mm und weniger (!) drehen konnten.
Obwohl erst 1397 in Köln die Zunft der Goldspinnerinnen gegründet worden war , gehörte die Herstellung von Goldfäden und deren Verarbeitung immer schon zur typischen Frauenarbeit. Sogar adelige Damen beschäftigten sich mit dem Spinnen von Goldlahn, was viele Quellen wie nordische Sagas und Minnesänger bestätigen.
Auch heute ist die Herstellung eines möglichst dünnen, gleichmäßig gedrehten Goldlahns ein echtes Geduldsspiel, das bei uns Handwerkerinnen gepflegt wird. Von einem 0,2 mm dünnen Goldfaden können wir nur träumen. Bis heute hat die Forschung keine Erklärung dafür gefunden, wie mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln ein derart zarter Goldlahn hergestellt werden konnte. Mit viel Geduld schafft unser Goldfaden einen Durchmesser von 1 mm, und das nach sehr viel Übung.
Aus Kostengründen arbeiten wir nicht mit Gold und Silber, sondern mit hauchdünnem Messingblech. Selbst dieses Material ist aber gar nicht so leicht aufzutreiben. Nach langwierigem Suchen konnte Andrea ein Spezialgeschäft für Bastelartikel in Wiener Neustadt finden, das Rollen mit Streifen aus Messingblech für Klosterarbeiten anbietet. Dort hat sie sich mit einem Jahresvorrat eingedeckt, um mit dem selbstgefertigten Goldlahn eines Tages vielleicht auch unsere Almosenbeutel zu verschönern. :-)
Quellen:
- Neues aus Alt-Villach, 7. Jahrbuch des Stadtmuseums 1970
- Des Kaisers letzte Kleider. Neue Forschungen zu den organischen Funden aus den Herrschergräbern im Dom zu Speyer / Historisches Museum der Pfalz Speyer, 2011
- Medieval Craftsmen – Embroiderers / Kay Staniland, The British Museum Press, 7th impression 2006
- Fundberichte aus Österreich, Band 8, Berichte 1961-1965 mit Nachträgen / herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, 1974