Keramik 4 – Töpferscheibe oder Werktisch?

03.02.2013 von Rotschopf in Hafnerei, Handwerk

Ein Thema, bei dem ich wieder mal genötigt bin, über den fast vollständigen Zusammenbruch der Wissenskultur während der Wirren der Völkerwanderungszeit zu klagen ist definitiv die Keramik.
In meiner kleinen Serie berichtete ich ja schon über verschiedene Arten und Formen mittelalterlicher Keramik, heute möchte ich mich aber tiefergehend ihrer Herstellung widmen.


Begleitend und vertiefend zum Thema empfehle ich die Lektüre von „Die Entwicklung der Töpferscheibe“ von Adolf Rieth, Kabitzsch Verlag, Leipzig, 1939 und die Nachfolgerausgabe „5000 Jahre Töpferscheibe“, Konstanz um 1978, die die Erkenntnisse des ersten Werks erneuert und noch einmal zusammenfasst. Natürlich immer mit dem nötigen kritischen Abstand, den ein klar unter nationalsozialistischem Gedankengut veröffentlichtes Werk vom Leser fordert.

Die Keramikproduktion der Antike war technologisch weit fortgeschritten, die Qualität und Vielfalt der Waren lässt sich heute noch in diversen Museen bewundern. Dagegen wirkt die Keramikproduktion des Früh- und Hochmittelalters wie etwas, das ich in der Volksschule noch am Werktisch gestaltet hätte. Selbst aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit kenne ich forgeschrittenere Technik und fragilere Gefäße.

Sieht man sich die Entwicklung der Töpferscheibe an, so herrscht lange Zeit der Typus der langsam drehenden Töpferscheibe vor. Man kann sich die Technik so vorstellen, dass eine Scheibe entweder in der Mitte unten einen Dorn besitzt, der in eine Vertiefung der Standfläche eingesetzt wird oder dass umgekehrt die Standfläche einen Dorn besitzt und die Scheibe eine Vertiefung.
Wie sich technisch versierte Leser sicher vorstellen können, „wocklt“, wie man es auf gut österreichisch sagen würde „de Scheibn wia a Kuahschwoaf.“ Ein Hochziehen der Keramik wie auf modernen Scheiben ist damit nicht möglich. Sie dient lediglich dazu, die Keramik von allen Seiten zugänglich zu machen für den sitzenden Töpfer und um bereits in Aufbautechnik hergestellte Keramik nachzudrehen zu einer ebenmäßigen Form.
Deren Weiterentwicklung, das Töpferrad (benannt nach dem Wagenrad, das den wichtigsten Bestandteil der Konstruktion ausmacht), kann bereits mit einem Stock oder den Beinen angetrieben werden und entwickelt durch die hohe Schwungmasse des Rades, den tiefen Schwerpunkt der Konstruktion und eine Achs-Lagerung eine hohe Drehgeschwindigkeit, die die eigentliche Scheibe ruhig laufen lässt und aus einem Stück getriebene Keramik ermöglicht.

Im 14. Jhdt arbeitet man in Wien vermutlich mit einer Zwischenform der beiden oben genannten Varianten, die zwar schon eine Achslagerung besitzt, allerdings sicher noch nicht mit der selben Geschwindigkeit laufen kann, wie das Töpferrad. Der Typus ist ein Handbetriebenes Rad, das wie ein runder Käfig aussieht. Eine zeitgenössische Abbildung gibt es leider nur in der Lilienfelder Concordantiae caritatis (allerdings technisch falsch vom Künstler verstanden)  (Abbildung via der Datenbank von Imareal). Man kann dabei nur mit einer Hand am Werkstück arbeiten, die andere dreht das Rad, es wäre auch ein Fußbetrieb denkbar, das ist allerdings bei dieser Konstruktion mehr störend als bessernd für das Wackeln der Scheibe, denn sie besitzt nicht ausreichend Schwungmasse im unteren Teil. Passend zu diesem Arbeitsstil stellen sich die meisten Keramikfunde auch als (zumindest teilweise) Aufbaukeramik mit nachgedrehter Oberfläche dar. Erst Ende des 15. Jhdts setzt sich das (bereits in der Antike perfektionierte) schnell drehende Töpfferrad mit Fußbetrieb durch, das die Gefäßschaffung aus einem Stück getriebenem Ton ermöglicht.

Teil 1 – Becher ist gleich Becher
Teil 2 – Glasuren ja oder nein
Teil 3 – Keramik Formen in Wien
Teil 5 – Brennofen