Pflanzenfärbung im Mittelalter – Teil 1

30.05.2012 von Rotschopf in Archäologie, Geschichte, Literatur und Quellenrecherche, Pflanzenfärben

So da Niko gerade in Schreiblaune ist, steckt das an!

Teil I (Erste Einführung & Gedanken) & Teil II (Grundaustattung Mann/Frau) zum Einsteigerleitfaden fürs 14. Jh. findet ihr auf seinem Blog

Niko hat schon beschrieben, was Mann/Frau so im Grunde trug, doch wenn es um die Umsetzung geht, stellt sich natürlich auch die Frage nach den Farben der Kleidung bzw. dahingehend auch nach etwaigen Symbolen zur Kennzeichnung gewisser sozialer Randgruppen. 
Prostituierte beispielsweise trugen bei uns in Wien ein gelbes Tüchlein unter der Achsel.
Der Markt-Mythos des fahlgelben Kleides ist in dieser Hinsicht somit tatsächlich mehr ein Märchen, denn hier ein Auszug aus der fürs 14. Jahrhundert in den Städten bekannten Zeichen für dieses Gewerbe zeigen deutlich, dass diese Kennzeichnung lokal unterschiedlich war:

Zürich, 1319: rotes Keppli
Meran, 1337: gelwes vänle, Verbot „Frauenmantel“
Breslau, 1355 (Prostituierte?): Stadtabzeichen
Köln, 1389 (Prostituierte?): roter Schleier
Lüneburg, 1399: Schmuckverbot

Wie ihr seht, man darf gerade bei solchen Darstellungen nicht verallgemeinern und muss für jede Stadt eigens recherchieren. Meist finden sich Hinweise darauf in den Stadtbüchern!
Aber nicht nur soziale Kennzeichen finden sich in diesen Büchern! Daneben können auch Rechnungsbücher oder Verordnungen Rückschlüsse auf etwaige in eurer „Darstellungsgegend“ benutzte Farbstoffe geben. Wurde eine Färbepflanze (z.b. Waid od. Krapp) in der Stadtnähe großflächig angebaut? Dann war sie wohl auch deutlich billiger, als vielleicht an anderen Orten. Oder auch Hinweise, welche Art Färber (Blaufärber, Schwarzfärber, Schönfärber) in einer Stadt ansässig waren, lassen Rückschlüsse auf gewisse Färbemittel zu.

Ehe wir jetzt das große Thema Färben angehen, erstmals ein paarLiteraturhinweise:

  • H. Schweppe: „Handbuch der Naturfarbstoffe. Vorkommen – Verwendung – Nachweis.“ (1993, Nikol Verlagsgesellschaft)
    (Hinweis: Da bereits antiquiert, beläuft sich der Preis dafür momentan ca. auf 100-200 Euro! Aber wer sich für das Thema ernsthaft auch von historischer Seite interessiert, wird mit dem Buch seine Freude haben!)
  • Sabine Struckmeier: „Die Textilfärberei vom Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit. Eine naturwissenschaftlich-technische Analyse deutschsprachiger Quellen.“ (2011, Waxmann Verlag)
  • Dorothea Fischer: „Naturfarben auf Wolle und Seide. Färben ohne giftige Zusätze.“ (2006, Books on Demand)
  • Dorit Berger: „Färben mit Pflanzen. Färbepflanzen, Rezepte, Anwendungen.“ (2006, ökobuch

Und noch zwei recht interessanter Links:

Und ein paar gute Quellen für Färbebedarf:

Wer sich lieber den Stoff färben lässt, da er es sich selbst nicht zutraut oder einfach nicht die Möglichkeiten vor Ort hat, kann sich in den Shops hier bereits pflanzengefärbten Stoff besorgen:

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Wieso eigentlich Pflanzenfärbung und nicht chemisch gefärbte Wolle? Weil es einfach damals so gemacht worden ist :-p

Ausserdem aus Erfahrung könnnen wir sagen: Pflanzenfärbung macht süchtig! Nicht nur das Färben, sondern auch die Verwendung der Stoffe. So blöd es klingt: Man merkt, wenn ein Stoff pflanzengefärbt ist! Nicht unbedingt durch fleckige Stoffe (die Färber schauten bereits damals sehr auf Qualität in der Färbung!), sondern einfach durch den Farbton!
Die Farbe wirkt einfach wärmer und natürlicher – man könnte es fast schon „besondere Aura“ nennen
Und bisher hat jeder, der damit begonnen hat, augenblicklich jedem modernen industriegefärbten Stoff abgeschworen ;)
Also überlegt es euch gut ob ihr damit anfangen und so wie wir „Spinner“ enden wollt und Kritzendorf möglichweise bald pleite sein wird, weil niemand mehr die Billigstoffe plündert  (der weiße, dünne, recht locker gewebte Wollköper von dort eignet sich übrigens wunderbar zum Färben ^^)

Generell kann man sagen, dass JEDE Pflanze färbt. Der am weitesten verbreiteste Farbton in der Natur ist Gelb. Brauntöne sind besonders mit gerbstoffhaltigen Pflanzen aber auch bei Färbungen mit Rinde leicht erreichbar. Rot ist ebenfalls recht häufig anzutreffen – hier gibt es neben den „Klassikern“ wie Purpur, Kermes, Krapp, Cochenille, Rotholz,… auch z.B. Flechten, die den Farbton abgeben würden. Sehr selten sind Blautöne. Grüntöne sind ohne Mehrfachfärbungen oder Beigabe von Zusätzen (z.b. Eisensulfat) kaum erreichbar.

Hinsichtlich der Färberei im Mittelalter gilt es jedoch gerade bei modernen Färbebüchern aufzupassen, da nicht alle heute verwendeten Färbemittel auch tatsächlich im Mittelalter verwendet worden sind bzw. nachweisbar sind!

Daher hier einmal eine kleine Übersicht zu belegbaren Färbepflanzen des Mittelalters, wie sie als Bestandteile von Färberrezepten des Spätmittelalters (14.-16. Jh.) aufscheinen, sowie deren Benutzung zur Erreichen welcher ungefährer Farbtönen (soweit uns ersichtlich anhand unserer Literatur).
Wir möchten euch darauf hinweisen, dass die einzelnen Pflanzen auch oft miteinander kombiniert wurden bzw. verschiedene Zusatzstoffe beigemengt wurden, um eine erweiterte Farbpalette zu erreichen. Aber auch unterschiedliche Beizen konnten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (wir werden demnächst genauer darauf eingehen!).
Wir führen hier die aus einer üblicherweise durch Überfärben einer Gelbfärbung mit einer Blaufärbung erzielten satten Grün-Farbton nicht extra auf, sondern werden zu späterem Zeitpunkt nochmals darauf zurückkommen.
Ebenso überraschend ist die Tatsache, dass im Mittelalter häufig auch Früchte, welche eigentlich nicht Licht- und Waschecht sind, für den Färbevorgang verwendet, wie ihr der unten stehenden Liste entnehmen könnt:

  • Krapp → rot
  • Färberwaid → blau
  • Indigo → blau (teuer!)
  • Reseda → gelb
  • Walnuss → braun
  • Brasilholz (Rotholz) → rot
  • Saflor → gelb, rot
  • Kreuzdornbeeren (Saftgrün) → gelb/grün
  • Safran → gelb (teuer!)
  • Grünspan → dumpfes grün
  • Eichenrinde → braun
  • Gallapfel → grau/schwarz
  • Holunderbeeren / Heidelbeeren → rosa /lila / grau (je nach Textilmaterial)
  • Feldahornblätter → gelb (?)
  • Kornblumenblüten → beige bis rosa (je nach Textilmaterial)
  • Mohnblüten → ?
  • Attich, Zwergholunder-Beeren → bläulich (zum Strecken von Indigo!)
  • Ysop → ?
  • Erlenrinde → Schwarzfärbung
  • Ruß → schwarz
  • Espenlaub → gelb (?)
  • Kermes → rot (teuer!)
  • Färberginster → gelb
  • Apfelbaumrinde → gelb
  • Schöllkraut → gelb
  • Auripigment → gelb
  • Berberitze → gelb
  • Ligusterbeeren → hellblau?
  • Wacholderbeeren → ?

Kursiv…. besonders häufig in Rezepten vorkommende Färbepflanzen

Da viele Rezepte aber sicher auch mündlich weitergegeben wurden und daher vielleicht einfach nicht im Quellenmaterial aufscheinen, ist es nicht ausgeschlossen, dass es noch andere Pflanzen gab, mit welchen im Mittelalter gefärbt wurde. Sollten wir also auf neue Sachen stoßen, werden wir die Aufstellung weiterführen!

Doch diese Liste ist einmal ein guter Start um auf der „sicheren“ Seite zu sein!

Ehe es allerdings ans Färben gehen konnte, benötigte es zuvor in der Regel noch einen weiteren Arbeitsschritt: Das Beizen des Stoffs. Wie dies im Mittelalter gehandhabt wurde, erklären wir euch im nächsten Teil!

(Quellen: Schweppe, Struckmeier – s.o. „Literatur“)