Haarnadeln

06.11.2014 von Rotschopf in Kleidung, Realien

Es gibt so ein paar Dinge, da werd auch ich, überzeugte Feministin, Nerd und selbsternannte „moderne junge Frau“, zum quietschenden Weibchen.

Eins davon sind historische Haaraccessoirs. Aber wer wirds mir verdenken, schaut euch doch nur mal dieses Prachtstück aus dem griechischen Hellenismus oder diese wunderschöne Replik eines steinzeitlichen Haarkammes (in meinem Besitz) an.
Haare sind einfach sexy und es gibt nichts, was eine Frau mehr schmückt als eine toll geflochtene Frisur mit ein paar gezielt gesetzen Funkelnden Haarnadeln *schmelz*.

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Diese wunderschönen kleinen Bling Blings haben es letztens doch auch in meinen Besitz geschafft (eigentlich 5 davon, aber einer steckt grad in meinen Haaren :-))
Gefertigt sind sie nach Vorlage des Haarnadelfunds aus den London findings aus dem 14. Jhdt von Karin Freitag (Danke!).

Das ist in dieser Zeit übrigens ein noch relativ neuartiger Haarnadeltypus, denn bis ins frühe Hochmittelalter und durchaus auch noch danach nutzt man lange, gerade Haarnadeln aus Metall, Knochen oder Elfenbein. Funde, die diesen U-förmigen Typus bestätigen sind gewöhnlich Streufunde und zeitlich sehr schwer einzuordnen, da sie in gleicher Form bis in die Moderne weiter verwendet werden. Das ist nehme ich an auch einer der Gründe, warum nur sehr wenig mittelalterliche Haarnadelfunde vorliegen, ich denke aber, sehr oft hat man auch mit Bändern gearbeitet oder wie im antiken Rom Frisuren angenäht, gerade wenn sie besonders aufwändig gearbeitet sind und länger halten sollen (Spekulationsalarm!).

Ich konnte natürlich nicht widerstehen und musste gleich einmal eine Frisur damit stecken. Nur welche? Dutt kann jeder.

Da hab ich neulich so eine tolle gesehn mit einem im Nacken irgendwie gesteckten Zopf-Dutt aus der Anjou-Bibel um 1340? Könnte der so in der Art aussehen (trag ich jetzt wohl öfter in die Arbeit)?

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Oder dieses in der Praxis eher doof aussehende Modell einer Gretel-Zopffrisur um 1400? (links daneben übrigens eine überaus attraktive Version einer Art mittelalterlichen Gibson Tucks, hatte leider kein passendes Bändchen dafür).

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Sehr beliebt in so ziemlich jedem Land Mitteleuropas außer Österreich (grummel) scheint ja die bekannte Affenschaukel zu sein, auch viel praktischer machbar mit Haarnadeln.

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(btw ich entschuldige mich, wie eine Wasserleiche auszusehn, war ein harter Tag und meine Gesichtsbehaarung ist so blond, dass man sie kaum sieht, so seh ich ungeschminkt immer etwas formlos aus :-))

In Österreich scheint man übrigens in genau unserer Zeit ein großer Fan von offenem Haar gewesen zu sein, das auch in kleinen goldenen Wellen links und rechts an den Schläfen aus dem Schleier rausguckt, ansonsten macht man leider nicht viel. Man scheint die Haare also entweder hinten im Nacken weggesteckt zu haben oder vielleicht mehr auf Haarsäcke und Netze gebaut zu haben. Ende des Jahrhunderts kann man dann im Tacuinium Sanitatis, also im Österreichisch-Italienischen Raum eine Frisur in Mode, bei der mit Bändern die Haare zu langen Würsten gefasst werden und einmal um den Kopf gelegt.

 

(Random additional Frisur des 14. Jhdt, der Fischgrätzopf)

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