Eine Badestube des späten 14. Jahrhunderts

03.04.2019 von Rotschopf in Hygiene und Kosmetik, Weiberzeug

Wie vielleicht einige wissen, war ich Anfang Oktober Teil des 14. Jahrhundert Teams bei dem Mittelaltertagen Bad Windsheim und ich und mein IG14 Kollege Thomas, der den Bader mimte, waren zuständig für den Betrieb der Badestube, die zu dem Spätmittelalterlichen Spital gehörte, das Thema unserer Veranstaltung war.

Bitte Achtung, denn mit 1380-90 als gewählter Zeitstellung für das Event weichen hier Teile des Equipments von meiner normalen Zeitstellung um 1350 ab.

Damit ich hier nicht die Grundlagen eines mittelalterlichen Badebetriebes aufwickeln muss, verweise ich auf den Artikel meines Kollegen Nikolaus, in dem wir bereits ausführlich über Badehäuser, speziell im österreichischen Raum berichteten und den ihr unbedingt vor der Lektüre dieses Artikels kennen solltet.  Und das dazu gehörige Video. Weiters habe ich im Anhang zu diesem Artikel einige sehr interessante Literatur und online verfügbare Texte zum Thema Badewesen im Spätmittelalter und Grabungen rund um spätmittelalterliche Badehäuser verlinkt, die ich für die Rekonstruktion der täglichen Arbeit in unserem Badehaus genutzt habe. Zu Themen der Hygiene und Kosmetik des Spätmittelalters findet ihr auch noch einmal mehr in den unten verlinkten Artikeln von mir.

Zunächst sollte man vielleicht sagen, dass wir aufgrund räumlicher Gegebenheiten und fehlendem Equipment nicht alles so gestalten konnten, wie es in einem echten Badehaus gewesen wäre. Beispielsweise hatten wir keinen großen Zuber zur Verfügung und auch nur einen normalen mittelalterlichen Kachelofen und keins der ausladenden, multifunktionalen Modelle, die im Spätmittelalter nicht nur die Schwitzstube beheizen, sondern auch noch die Warmwasseraufbereitung und das Erhitzen der Steine erledigen konnten. Auch arbeiteten wir hier in einem echten mittelalterlichen Haus und nicht in einem Nachbau, was gewisse Anforderungen an das Level der Luftfeuchtigkeit, eine Begrenzung der Möglichkeiten für offenes Feuer und Beheizung und natürlich ein Limit des Platzes für Badegäste bedeutet hat. Auch wäre ein Erdgeschosszimmer mit steinernem Boden natürlich präferabel gewesen zu einem Zimmer im ersten Stock, durch dessen Bodenbretter Wasser direkt auf den gemeinsamen Essenstisch getropft wäre.

Als Bademagd oblag mir die Vorbereitung der Badestube für den täglichen Badebetrieb.

Der erste Schritt des Tages war es, den Kachelofen der Badestube von der gemeinsamen Küche aus zu beheizen, denn der brauchte gute 2 Stunden, bis er zur Höchstform aufgelaufen ist, wobei ich nur einmal kräftig angeheizt habe und dann einfach das Feuer ausgehen ließ und nur abwarten musste.

Glücklicherweise hatte ich kräftige Unterstützung von meinen Mitdarstellern beim Hacken und Transportieren von Feuerholz.

Dann habe ich mit Glut aus dem Ofen, der übrigens aus der Küche im Nebenraum beschickt wurde, auf dem Herd ein offenes Feuer gestartet und die Steine und gleichzeitig das Wasser für die ersten Badenden heiß gemacht. In der Realität mittelalterlicher Badestuben hätte eine spezielle Nische oder Mulde im großen Heizofen diesen Job erledigt. Verwendet haben wir große Flusskiesel dafür, denn diese sieht man auch in spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Abbildungen immer in den Heiznischen der Öfen liegen. Über mehrere Verwendungen sind die natürlich teils gebrochen, aber sie haben sich gut bewährt.

Die Hitze des Herdes haben wir natürlich dann auch gleich für andere Aufgaben genutzt, konkret für die Zubereitung des Mittagessens :-)

Während ich auf das Wasser und die Steine gewartet habe, habe ich vor dem Haus halbwegs frische und junge Zweige  für frische Badewedel, auch Badequast genannt, geschnitten, die für das Verteilen des Dampfes in der Schwitzstube und die Anregung der Blutzirkulation von den Badegästen verwendet werden und einen davon ausgehängt vor der Tür, um zu signalisieren, dass die Badestube offen ist.

Im Raum habe ich derweil gefegt, die Handtücher gefaltet, einen Eimer kaltes Wasser geholt und einen Schöpfer sowie mehrere Krüge bereit gestellt.

Aus dem Mainzer Hof in Erfurt heißt es hierzu in einer spätmittelalterlichen Schrift „Szo man baden will, sallen […] die viehemaidt laugen machen, die badestoben wormen und die benck und boddeme, schemel und hultzern pfulffe darin rein weschen“ und „Szo man baden will, sal er (der Knecht) holtz zutragen und wasser in den sarck und kessel schoepffen.“

Neben Seife, Lappen und Schwämmen stand eine Flasche Lavendelhydrolat, Massageöl (Olive und Mandel), Gesichtspeeling aus Weizenkleie, Kämme, Schere und Rasiermesser und ein Spiegel sowie einige medizinische Gerätschaften des Baders bereit in der Stube. Näheres zu diesen Gerätschaften findet ihr in meinen beiden Artikeln zu Haartracht und Hygiene und Kosmetik im Spätmittelalter.

Das kochend heiße Wasser versetzte ich noch mit Salbei und Thymian, um ihm guten Duft zu verleihen. Das ist natürlich etwas, das man wahrscheinlich nicht für jeden Badegast gemacht hätte, ich habe die Idee aus Textquellen, die beschreiben, das Waschwasser oder Badewasser mit Kräutern zu versetzen.

Der Menagier de Paris empfiehlt z.B., Handwaschwasser mit Salbei, Rosmarin oder Majoran zu versetzen, um es duftend zu machen.

If your lord wishes to bathe [….] Have a basin full of hot fresh herbs and wash his body with a soft sponge, rinse him with fair warm rose-water, and throw it over him“ (aus John Russel, Book of Nurture, um 1460)

„The bathes weren thanne araied, With herbes tempred and assaied, And Jason was unarmed sone And dede as it befell to done: Into his bath he wente anon And wyssh him clene as eny bon“ Quelle

Und im Parzival heißt es „dô gebôt der fürste maere dz ein bat bereite waere…man warf dâ rosen oben in […]die knechte truogen nach im rosen dar, gepletert vrisch und wol gevar. der streut er dar uf mich so vil…daz mich noch daz bat niemen sach.“

Besonders für medizinische Zwecke waren Kräuterbäder auch eine beliebte Anwendung, so beliebt, dass es in Basel beispielsweise im 14. Jahrhundert schon zwei eigene Kräuterbadestuben gab. Und im Ring von Wittenweiler um 1380 heißt es „wasserpad mit edelm chraut, daz lawich sey und nicht ze hayss, macht dich schön und dar zuo fäyss.“

 

Damit aus heißem Kräutertee dann auch Waschwasser wurde, kam unser Aschebeutel zum Einsatz, den ich einfach mit Asche vom Herd füllte. 4-5 Hände voll Asche im Beutel reichen hier völlig aus, um das Wasser seifig genug zur Körperwäsche zu machen. Es ist empfehlenswert, die Asche nicht zu lang hängen zu lassen, sonst wird die Lauge zu scharf. Fühlt sich das Wasser leicht seifig an, ist es genug. Dann noch mit etwas kaltem Wasser heruntergekühlt und das Wasser ist badebereit. Wie die Lauge sein soll, das beschreibt auch Seifried Helbling im frühen 13. Jahrhundert in einem seiner Gedichte:  „guot louge man (zum Bade) gewinnen sol, luter unde lieht gevar.“ (also klar und hell)

 

Dann habe ich die heißen Steine noch in ein – vorher gewässertes – Scheffel gelegt und es konnte losgehen.

Unseren Gästen brachte der hauseigene Kellner Wasser und den besseren Gästen ein Glas Wein, man soll ja auf den Flüssigkeitshaushalt achten beim Saunieren ;-).

Nach dem Entkleiden und Versorgen der Kleidung war dann erst einmal eine Schwammwäsche der Gäste dran.

Wir haben das wegen oben erwähnter örtlicher Gegebenheiten auf die Art gemacht, wie man sich in dieser Zeit zu Hause täglich waschen würde, also eine gründliche Katzenwäsche.

In der Realität der meisten spätmittelalterlichen Badehäuser in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz wäre hier natürlich ein Vorbad korrekt gewesen in einem kleinen Zuber, wo der Badegast von der Bademagd oder dem Badeknecht mit warmem (Laugen-) Wasser übergossen wurde und erst einmal den gröbsten Schmutz loswerden konnte. Tatsächlich kann man also die Art zu baden in dieser Zeit eher mit einem Hamam vergleichen als mit einem Wannenbad. 

Und natürlich hätte man bei Badegästen des Spitals, die bettlägrig waren, auch eine Schwammwäsche im Bett gemacht und kein Vollbad in der Badestube.

Danach übernahm der Bader auch den Aufguss auf die brennend heißen Steine mit dem duftenden Kräuterwasser und die Badegäste wedelten kräftig mit ihren Badewedeln.

Und während die Gäste also so vor sich hinschwitzten kam Thomas‘ Spezialität an die Reihe, die Massage (im Spätmittelalter nennt sich das „reiben“), bei der er ein paar Knochen einrenkte und den Badegästen Laute aus einer Mischung von Schmerz und Erleichterung entlockte. Tatsächlich wäre das eine Tätigkeit, die der „Reibknecht“ in größeren Badehäusern erledigt hätte und bei den weiblichen Badegästen teils auch weibliche Bedienstete, denn nicht überall durften männliche Badebedienstete mit weiblichen Badegästen arbeiten, während es anders herum natürlich unproblematisch war.

In der Zwischenzeit schenkte ich Getränke nach und verteilte Lavendelhydrolat zum Parfümieren. Lavendelwasser zur Verwendung während und nach dem Bad wird z.B. von Thomas Murner um 1514 in seiner „Geistlichen Badenfart“ beschrieben. Unser Apotheker Sebastian hatte dieses in seinem Destilierversuch am Vortag frisch gemacht und es duftete himmlisch!

Etwas, das man auch gerne in der Schwitzstube noch machte, war das (blutige) Schröpfen. Das vorzunehmen ist allerdings strafbar ohne entsprechende Ausbildung zum Heilpraktiker und wir haben es daher nur für Fotos gestellt mit Schweinsblut.

 

Ich hatte mir für das Anritzen der Haut und das Aderlassen, das Aufgabe des Baders war, extra noch ein Fleam herstellen lassen von der Zeugschmiede nach mittelalterlichen Abbildungen und antiken sowie neuzeitlichen Funden (die Form hat sich da eigentlich nicht verändert)

Natürlich oblagen dem Bader auch noch andere medizinische Anwendungen, wie z.B. das Aderlassen oder das Zähne ziehen, auch das haben wir gezeigt bei unserer Veranstaltung, da es sich hierbei aber um nicht typischerweise mit dem Badebetrieb verbundene Anwendungen handelt, werdet ihr dies hoffentlich noch an anderer Stelle zu sehen bekommen.

Die Damen erhielten dann je nach Wunsch von mir noch eine historische Haarwäsche mit Lauge und Conditioner und einen Spitzenschnitt sowie eine hübsche Frisur.

Dann blieb noch das Aufkehren von Haaren, das Entsorgen des alten Waschwassers und das Aufhängen der Handtücher (unsere Gäste hatten allerdings alle ihre eigenen).

Nach dem Bad bekamen die Gäste wie es Tradition war Eier und Wein.

Dann war endlich Feierabend und Zeit für ein bisschen Muße. Ich saß mit der Frau des Baders und ihrem Kind und den anderen Mägden vor dem Haus und genoss die letzten Sonnenstrahlen und arbeitete an einem neuen Badehut. Hier ein wunderbares Foto, von uns, das auch eine leise Andeutung an mittelalterliche Lebensverhältnisse liefert. Das Gesinde, das mit der Kern-Familie des mittelalterlichen Haushalts lebt und arbeitet.

Eine Badhaus Ordnung aus dem 17. Jahrhundert erklärt solche Arbeiten wie das Badhutflechten übrigens zur Aufgabe der Bademägde und -knechte: „Sy sulln auch das laub em anburten und zu bädln pintn als ihm zehaim der maister bedarf… und Sy sulln auch dy huett flechtten und setzen alsvil er ir bedarf“

 

 

 

Quellen:

  • Die Entwicklung des handwerklichen Medizinalwesens im Land Salzburg vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, Friedrich Besl
  • Ver- und Entsorgung der Mittelalterlichen Stadt – Wasserversorgung, in: Regensburg im Mittelalter, Lutz Michael Dallmeier, 1998
  • Gesellige Körperpflege als Aspekt der Alltagskultur im spätmittelalterlichen Regensburg, in: Regensburg im Mittelalter, Michael Prosser, 1998
  • Baderzunft im Mittelalter und später besonders in Franken, Ludwig Heffner, 1865
  • Krise und Untergang in der Badstube, Widmann Martin, 1999
  • Im städtischen Bad vor 500 Jahren, Robert Büchner, 2014
  • Öffentliche Badehäuser in Deutschland und der Schweiz im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Birgit Tuchen, 2003
  • Die älteste Görlitzer Bruderschaftsordnung von 1400, Die Satzung der Bader, Neues Lausitzisches Magazin, 2008
  • Spätmittelalterliche Badekultur – Der badende Körper und seine Visualisierung in den illustrierten Tacuina sanitatis, Simone Westermann
  • Spuren des Alltags, der Windsheimer Spitalfund aus dem 15. Jahrhundert; Hermann Heidrich und Andrea K. Thurnwald, 1996
  • Körperpflege und Kleidung bei den Deutschen von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert, Moritz Heyne, 1903
  • Gesundheitspflege im Mittelalter; kulturgeschichtliche Studien nach Predigten des 13., 14., und 15. Jahrhunderts, Kotelmann Ludwig Wilhelm Johannes, 1890
  • Seifried Helbling – ich horte daz der bader bliesz
  • Der König vom Odenwald – diez ist von von dem bade

 

Abbildungen öffentlicher Thermalbäder aus dem Mittelalter 

Meine Bildquellensammlung zum Thema Badehaus

A history of bathing before 1601

Bathing in the middle ages

Baden AG: vom Wildbad zum Kurort

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