Ein einfaches Pfoad

29.12.2020 von Rotschopf in Kleidung

Kurz zur Begrifflichkeit: Für das Haupt-Unterkleidungsstück gibt es wirklich unheimlich viele Begriffe. Hemd, Hemed, Wat, Phayt, Phait, Pfoad, Chemise, Smock usw. meinen großteils das gleiche. Typisch Österreichisch ist eben der Begriff Pfait oder Pfoad. Ich benutze hier zur leichteren Verständlichkeit im Text einfach Unterhemd oder Unterkleid. 

Weil ich mein altes langärmeliges Unterhemd über die 8 Jahre, die ich es hatte, ziemlich zerschunden hatte, der Saum matschbraun und die Nähte ausgerissen waren, hatte ich es vor einiger Zeit komplett auseinander genommen und daraus ein ärmelloses Unterkleid mit Stützfunktion gemacht. Dazu hatte ich übrigens gar keinen Beitrag geschrieben, fällt mir gerade auf, wenn ihr aber mehr zur Konstruktion wissen möchtet, könnt ihr hier sehen, wie es gemacht wird.
So hatte ich jetzt für gute 2 Jahre so nur noch meine beiden ärmellosen Unterhemden übrig und die sind zwar in der Hitze toll, aber ein langärmeliges Unterhemd hat schon auch seine Vorteile, vor allem was das Schwitzen angeht, ist es sehr angenehm, wenn da um die Arme alles mit Leinen bedeckt ist unter dem Wollkleid.

Also hab ich das jetzt in diesem Winter nachgeholt.

Kurz zur Belegslage: 

Leider gibt es zu diesem einfachsten Kleidungsstück kaum Funde und erhaltene Exemplare. Auch Abbildungen von Damenunterhemden sind rar gesäht.

Hier und hier findet ihr ein bisschen näheres zum Pfoad im 14. Jahrhundert.

Das Material ist festes, Leinwandgewebtes Leinen, genäht mit Leinenzwirn und die Nähte sind mit Kappnähten versäubert, weil die am Besten halten bei Zug und Beanspruchung und ein Unterhemd ist mit Sicherheit eins der beanspruchtesten Kleidungsstücke durch das häufige Waschen.

Der Schnitt ist ein ganz einfacher Tunikaschnitt mit Ärmelnähten unter den Armen und kleinen Achselkeilen, weil wir diese Art von Unterkleidung bis lange in die Neuzeit hinein noch sehen. Unterkleidung muss weit und bequem sein, auch wenn die Überkleidung eng geschnitten ist, denn das Leinen ist unbeweglich und es wird schnell unbequem, wenn das zu eng anliegt und wenn es von der wollenen Überkleidung in Falten gequetscht wird, macht das nichts, aber das gewährt Bewegungsfreiheit.

Ich gebe zu, die Geren sind ein bisschen ungleich geworden, aber man sieht das schlicht überhaupt nicht beim Tragen, also bin ich relativ entspannt, was das angeht.

Eine Besonderheit bei meiner Reko ist der angesetzte Saum, den ich hier aus praktischen Gründen extra gemacht habe, nämlich weil der Zuschnitt so einfacher war, wir sehen aber auch immer wieder bei Damen auf Abbildungen, die den Saum ihrer Röcke etwas anheben, dass Unterhemden oft andere Säume haben als der Rest des Unterhemds, manchmal sogar in anderen Farben. Das kann z.B. daran liegen, dass sich der Saum schnell abtritt oder unansehnlich wird und dann einfach ersetzt wird, was ich auf jeden Fall bestätigen kann, denn mein altes Unterhemd hätte das auch vertragen können, dass man einfach einen neuen Saum ansetzt und bei meinem ärmellosen werde ich demnächst ein bisschen kürzen und damit den hässlichen alten Saum wieder los. Der wird einfach unheimlich schnell schmuddelig. Und dann hab ich das eben hier direkt vorweg genommen, so dass es dann bereits gebraucht aussieht.

Außerdem habe ich bei meinem Pfoad einen sehr weiten Ausschnitt gemacht, damit er sich an meinen Rock anpasst, der ebenfalls recht weit ausgeschnitten ist. Das ist nicht ideal, mittlerweile würde ich auch eher engere Ausschnitte bei Rock und Hemd bevorzugen, aber leider kann ich auch das Unterkleid nicht unter dem Rock vorschauen lassen, daher muss es sich dem Rock beugen. Den Ausschnitt habe ich außerdem mit einem Leinenstreifen verstürzt, wie das z.B. auch beim Hemd von St Louis gemacht wurde. Das hab ich mir unbedingt eingebildet, denn nachdem ich ein paar kalte Nächte in meinem alten Unterhemd geschlafen hatte unter den historischen Leintüchern und Decken, wo das Hemd dauernd durch die hohe Reibung von Stoff an Stoff eingezwickt wird und beim Drehen dann großen Zug ausgesetzt wird, habe ich festgestellt, dass der Ausschnitt, auch wenn er mit Rollsaum versäubert ist, echt leicht einreißt und das wollte ich diesmal direkt verhindern.

Auch hier habe ich wieder ein Schnittschema auf einer 150 cm Stoffbahn gemacht für alle, die sich nicht vorstellen können, wie man das am Besten zuschneidet ohne modernen Schnitt. Jedes Kästchen sind 10 cm (das gilt halt für mich als voluminöse Dame, bei euch könnten die Geren und Ärmel sicher auch schmaler sein)

 

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