Die Trotula – Frauenmedizin und Kosmetik im Mittelalter

25.04.2016 von Rotschopf in Hygiene und Kosmetik, Literatur und Quellenrecherche, Weiberzeug

Ok, nur damit ich es gleich sage, das hier ist eine Art Buchbesprechung. Aber bevor ihr jetzt alle abspringt und sagt „Öööööööööde!!!!!!“, BITTE haltet ein und gebt mir eine Chance, euch ein wirklich aufschlussreiches und unterhaltsames Stück Literatur vorzustellen, das so einige Fragen beantwortet, die ihr euch stelltet oder auch noch nicht stelltet!

Über Trota von Salerno

Auf der Suche nach Literatur zu einem verwandten Thema bin ich über die Werke von Trota von Salerno gestolpert. Sie lebte im 12. Jahrhundert in Salerno und war angeblich mit einem Arzt verheiratet. Nicht nur war sie selbst Ärztin, sondern sie lehrte auch noch an der Fakultät Salerno, eine wahrlich bemerkenswerte Frau ihrer Zeit also.

Möglicherweise Trotula? Pen and wash Early 14th century Miscellanea Medica XVIII Published: - Copyrighted work available under Creative Commons Attribution only licence CC BY 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Möglicherweise Trota in einer späteren Abbildung aus dem 14. Jahrhundert
Miscellanea Medica XVIII
Copyrighted work available under Creative Commons Attribution only licence CC BY 4.0 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

3 der ihr zugeschriebenen Werke werden heute zumeist als Einheit vertrieben und als „Die Trotula“ bezeichnet. Es geht darin in der Hauptsache um medizinische und kosmetische Anwendungen für Frauen. Diese Schriften haben bis ins Spätmittelalter keine große Konkurrenz erfahren und sind eines der Standardwerke für Frauenmedizin des Mittelalters. Ich habe mir eine englische Übersetzung der Werke geholt und mich köstlich unterhalten mit den darin beschriebenen Anwendungen.

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Kurioses aus der mittelalterlichen Medizin

Da wird Haarwachstum mit ausgelassenen Eidechsen beschleunigt, Schwangerschaften mit dem Lecken von Gagaten verhindert, geschwollene Genitalien nach dem Coitus müssen mit Sitzbädern beruhigt werden und wenn die Regelblutung einmal nicht kommt, wird das Blut eben durch Aderlass „gereinigt“. Einige sehr unappetitliche Anwendungen für diverseste Beschwerden mit allerlei Pasten und Wässerchen hatten sicher eher einen gegenteiligen als den gewünschten heilenden Effekt.
Allgemein liest sich das Werk reichlich abwechslungsreich. Wild aus der Luft gegriffene Annahmen und wahrsagerisch-magische Anwendungen wechseln sich mit großem Wissen und großer Einfühlsamkeit über und für die Vorgänge im Körper und die Psyche der Frau ab.

Wirksame Rezepte bis heute

So beschreibt Trota beispielsweise  die Bekämpfung von diversen Regelbeschwerden mit noch heute angewandten Kräutern wie Frauenminze, Beifuß und Fenchel. Die Bäuche von Schwangeren soll man regelmäßig einölen, um die Haut weich zu halten. Auch beschreibt sie nach einem „sarazenischen“ Rezept die Färbung von Haar in schwarz mit Galläpfeln und Alaun, die Färbung von rotem Haar mit Safran, Henna und Rotholz, oder die Färbung von goldenem Haar mit Färbeginster und Safran. Allessamt Farbstoffe, die ja auch für andere Fasern in der Pflanzenfärbung angewandt werden. Auch Ölkuren für – von diesen Behandlungen vermutlich stark angegriffene – Haare beschreibt sie. Noch heute ist die Behandlung mit natürlichen Ölen bei der Langhaarpflege gängige Praxis.

Die weibliche Menstruation ist oft Thema

Sehr interessant ist auch die Beschreibung der Anwendung eines (medizinischen) Tampons aus kardierter Wolle bzw von Scheidenzäpfchen gefüllt mit medizinischen Zutaten gegen Regelbeschwerden. Die Menstruation nennt Trota „Die Blüte“ der Frau, denn ohne ihre Blüte kann die Pflanze keine Früchte bringen. Es zeigt sich im gesamten Werk ein sehr viel positiverer Umgang mit der Frau und ihrem Körper, als dem Mittelalter allgemein nachgesagt wird.

Kosmetische Anwendungen

Einige der Rezepte lassen auch auf Schönheitsideale schließen, die uns heute nicht unbekannt sind, so handelt ein ganzer Absatz von Anwendungen, mit denen die Frau Körperbehaarung los wird, einer von Gesichtspeelings, die die Poren reinigen und unerwünschte Gesichtshaare beim herunternehmen ausreißen sollen, sie schreibt vom Aufhellen der Haut oder vom Röten der Wangen und der Lippen. Auch davon, die Zähne zu putzen handelt ein ganzes Kapitel. Sie schreibt auch davon, sich Gewürzpulver in die Haare zu streuen oder die Haare mit Rosenwasser zu parfümieren, damit sie gut riechen oder das Gebende mit Nelken oder Muskat zu parfümieren.

 

Alles in allem fand ich dieses Buch eine lohnende Investition, die mich sicher noch eine ganze Weile begleiten wird.

 

 

 

PS: Ich muss hoffentlich nicht extra sagen, dass fast alle der oben erwähnten Anwendungen, auch wenn sie funktionieren mögen, gefährlich für eure Gesundheit und schädigend für euer Äußeres sein können. Bitte seid erwachsen und nehmt die Informationen hier und im Buch nicht als Anleitungen für eure eigene Anwendung.

 

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