Kostümkunde-Literatur für Einsteiger
Uns fiel gerade in letzter Zeit durch diverse, teils völlig für uns überraschend kommende, Anfragen auf Festen, aber auch privaten Nachrichten auf, dass neben Freunden & Bekannten auch viele Neueinsteiger im Hobby den Weg auf unseren Blog gefunden haben, sich aber meist nicht trauen einfach mal bei uns um Hilfe anzufragen, aus Angst wie könnten sie vielleicht „mit dem bösen A fressen“
Daher möchten wir gerade diesen „Fans“, in der Hoffnung ihnen die Scheu zu nehmen, bei Fragen auf uns zuzutreten, einmal ein paar Bücher vorstellen, welche wir für den Einstieg ins Hobby selbst damals als sehr praktisch empfunden haben und auch heute noch mit gutem Gewissen weiterempfehlen können:
Also obwohl wir selbst aufgrund der nicht ganz überzeugenden Aufbereitung keine Fans der Serie sind (mit Ausnahme des Schuh-Werks), bietet sie doch einen guten ersten Einblick in Schnittmuster und Nähtechnik und ist somit ein gutes allererstes Anfangswerk:
Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen. Grundausstattung für die Frau
Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen. Grundausstattung für den Mann
Leider ist das Werk eher pauschalierend und es fehlen die Datierungen welche eine Orientierung in den durchgemischen Jahrhunderten als Laien vereinfachen würden. Auch eher negativ: Die Bücher verstauben sehr bald einmal im Kasten, wenn einmal ein wenig tiefer in die Kostümkunde geschaut wurde…
Besser gefällt uns der (auch bisweilen im Internet auffindbare) „Medieval Tailor’s Assistant“ – über Geschmack lässt sich jedoch streiten ob obiges oder dieses Buch besser ist. Also unserer persönlichen Meinung nach ist es halt dieses Werk hier Diesen gibt es inzwischen auch bereits auf deutsch („Mittelalterliches Schneidern – Historische Alltagskleidung 1200-1500“), und ist von der Struktur zwar ein wenig verwirrend aufgebaut, bietet aber neben Schnitt- und Nähtechnik zeitlich viel mehr Gestaltungsvarianten, sowie eine umfassende Sammlung für Accessoires (Schleier,…) als die Grundausstattungs-Bücher oberhalb.
Vorsicht bei den Schnitten – diese sind nur bedingt tauglich, da sie teils Schnittechniken vorgreifen (z.B. im 14. Jh.), welche erst im 15. Jh. archäologisch nachweisbar sind.
Mit ein klein wenig Hintergrundwissen durch eins der obigen Bücher ist auch diese Serie hier sehr gut verständlich. Allerdings ist die Umsetzung selbst primär für die betuchtere-adelige Gesellschaftsschicht ausgelegt. Schnittmuster sind eher rudimentär enthalten.
Ulrich Lehnart: Kleidung und Waffen der Früh- und Hochgotik 1150-1320
Ulrich Lehnart: Kleidung und Waffen der Spätgotik Bd. 2. 1320-1420
Ulrich Lehnart: Kleidung und Waffen der Spätgotik Bd. 3. 1420-1380
Einen Blickfang, wenn auch sprachlich durch das Englische selbst für textilkundlich sprachlich „vorgeprägte“ nicht ganz einfach durchschaubares Werk, stellt Herbert Norris:„Medieval Costume and Fashion“ dar. Obwohl darauf hinzuweisen ist, dass die Abbildungen etwas vorsichtig genommen werden müssen (Stichwort „alte Kostümkunde“, welche weniger die Funde denn Statuen als Grundinterpretationsmaterial hernahmen), sind diese gerade für Anfänger sicher eine wunderschöne Inspiration wie in welchem Jahrhundert mittelalterliche Mode in etwa ausgesehen hätte. Weiters bietet es nebenbei noch neben einem Einblick in einfache bis gehobenere (englische) Kleidung auch diverse Informationen zu Material, Alltagskultur, Heraldik etc.
Hier auch sehr schön erkennbar ist der jeweils zeitliche Wandel in der Haar- und Barttracht sowie Schleier- und Schuhmode.
Wer sich mehr an zeitgenössischen Abbildungen einen Überblick erarbeiten will, wird mit Margaret Scott: „Kleidung und Mode im Mittelalter“ seine Freude haben. Hier werden die Abbildungen aus Stundenbüchern etc. in Kombination mit historischen Quellen aufbereitet und auf sehr gut verständliche, leicht lesbare Art präsentiert. Durch Hinweise aus Rechnungsbüchern, etc. finden sich auch diverse Hinweise zur textilen Sachkultur des Mittelalters, besonders auf höfischer Ebene.
Sowas wie der der „Ferrari“ unter den MA-Einstiegsbüchern, preislich als auch inhaltlich, stellt nach wie vor Katrin Kanias „Kleidung im Mittelalter“ dar. Jeder der Interesse daran hat, eine Darstellung als Lagergruppe aufzubauen, sollte dieses Buch beim Literatureinkauf unbedingt einplanen (ist meist aber auch inzwischen in Bibliotheken erhältlich). Die Autorin gibt einen ausgezeichneten Überblick zu Materialkunde, Schnittechnik, Nähtechnik als auch Kostümkunde sowie existierendem textilem Fundgut (inkl. Schnittskizzen) des Mittelalters und ist nicht von ungefähr eine Art „Basic-Info“ fürs MA-Hobby in ihrer Aufmachung geworden!
(wer übrigens die prähistorische Zeit darstellt ist hier mit Karina Grömers Werk „Prähistorische Textilkunst im Mitteleuropa“ auch sehr gut bedient, ähneln sich die Bücher in der Aufmachung schließlich)
Toll aufbereitet sind auch die ineinander übergehenden Publikationen „Woven into Earth“ & „Medieval Garments Reconstructed“. Hierbei handelt es sich um eine Aufbereitung der grönländischen Herjolfnesfunde, welche in zweiterem Buch auch von Kostümkundlerinnen als Schnittmuster aufbereitet wurden. Besonders für Kleidung ab 1300- ca. Mitte des 15. Jh. sind diese Schnittmuster ein sehr interessanter Ansatzpunkt für die Rekonstruktion von Kleidern. Auch eindrucksvoll darin sind die verschiedenen, perfekten, aber in der Umsetzung nach ersten Test-Versuchen vom Aufwand eher haarsträubenden Versäuberungstechniken.
Einziger Haken: Diese Bücher erfordern ein bereits relativ fortgeschrittenes Verständnis der modischen Entwicklung und Umsetzung, da leider die Datierungen bei den meisten, fast komplett erhaltenen, Fundstücken nur sehr grob bis garnicht bekannt sind, daher sehr viel über Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Schnittvorlage für die jeweilige Zeit auch aus Erfahrung im Zuschneiden & Faltenfall mittelalterlicher Kleidung (d.h. Kenntnis des Bildguts) heraus interpretiert werden muss.
DEFINITIV ein unbedingt Must-Have und durch den Taschenbuch-artigen Umfang sehr rasch lesbare Werk ist von Jan Keupp „Mode im Mittelalter“. Hierbei geht es um den fürs Mittelalter absolut wichtigen Punkt der Selbstrepräsentation. Dieses Thema ist bei einer historisch korrekten Darstellung jeglichen Alltags und Kleidung unabdingbar. „Mode im Mittelalter“ beinhaltet einen kurzen Abriss der für die „göttliche Ordnung“ entsprechenden Kleidungs- und Repräsentationsmuster anhand von historischen Beispielen. Für diejenigen die bereits mehr Einblick in das Thema Kostümkunde und Alltag haben bzw. überhaupt gleich sagen: „Gebt mir Hardcore-Fachlektüre“ sollte bei Jan Keupp dann gleich zum Buch „Wahl des Gewandes„ greifen. Letzteres entstand vor dem Buch „Mode im Mittelalter“ und ist seine Habilitationsschrift. Im letzten Jahr wurde „Mode im Mittelalter“ als thematische Einsteiger – & „Lightvariante“ dieser Schrift herausgebracht.
Ansonsten empfehlen wir als Einstieg v.a. Bildrecherchen:
Unsere Lieblingsseiten, damals wie heute, sind hierfür
http://larsdatter.com (englische MA-Quellen-Suchmaschine!)
http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ – das ImaReal hat übrigens auch eine tolle, kostenlose Präsenzbibliothek in Krems mit allen das MA betreffenden Werken Eingrab-Garantie
Für Schnitte:
Some clothing of the Middle Ages – http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/bockhome.html
Weitere Infos auf unserem Anfänger-Leitfaden!
Und dann gibts natürlich als Erweiterung noch Unmengen von mehr textilkundlichen Werke, welche dann verstärkt Richtung Schriftquellen & Fundquellen gehen. Da empfehlen wir euch aber wenn ihr einmal obige Literatur hinter euch gebracht habt, mit konkreten Fragen bzw. Zeitstellung & Region auf uns zuzukommen (hier, via FB, via PM, persönlich bei Gelegenheit -wie es euch lieb ist) und wir sehen was wir anhand unserem umfassenden Fundus machen können