Si legent sich zu rechter vrist und stent dann auf, als pilleich ist – Schlaf und Betten im Spätmittelalter
Wenn man einmal über die Kostümkunde und die Recherche zu den Gegenständen des täglichen Gebrauchs hinaus ist im Hobby, schlagen sich langsam andere Themen in der Konzeption von Veranstaltungen nieder. Wir möchten in Zukunft auch etwas näher die Lebensweise des mittelalterlichen Menschen nachvollziehen. Dazu gehören z.B. auch Schlafgewohnheiten und Tagesabläufe.
Vom Biphasischen Schlaf
In den Klöstern des Hoch- und Spätmittelalters wurde ein strenger Takt eingehalten. Nach der Komplet, dem letzten Abendgebet ging der Mönch zu Bett und schlief bis zur Vigil, dem Nachtgebet, das in der 8. Stunde der Nacht, also gegen 2 Uhr stattfand. Danach ging er wieder zu Bett bis zur Laudes, dem Morgengebet, das gegen 6 Uhr morgens abgehalten wurde, sich aber oft auch nach dem Sonnenaufgang richtete. Nun war der weltliche Mensch natürlich nicht an solche Vorschriften gebunden, dennoch finden wir einige Hinweise darauf, dass es in der mittelalterlichen Gesellschaft als tugendhaft erachtet wurde, es den Mönchen gleich zu tun und zur Nachtstunde ein Gebet zu sprechen, um sich danach wieder schlafen zu legen.
Dieser Schlafrhythmus ist überaus interessant und nicht nur aus der Luft gegriffen von den Kirchenvätern, sondern er hat auch einen ganz realen Hintergrund. Denn die Erfindung des elektrischen Lichtes und damit die Ausdehnung der Zeit, in der wir täglich dem Licht ausgesetzt sind, hat auch nachhaltig unser Schlafverhalten verändert. Die Menschen vor der Industrialisierung, die weitaus weniger und weitaus weniger blauem Licht ausgesetzt waren, schliefen in 2 Phasen von je ca 4 Stunden in der Nacht, ihrem natürlichen Schlafrhythmus entsprechend.
Sie konnten dazwischen beten, Sex haben, oder einfach ihren Aufgaben nachgehen.
Jedoch nicht ihrer Arbeit, denn den meisten Handwerkern war es durch entsprechende Regelungen verboten, nachts zu arbeiten (also zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang). Eine Maßnahme, die nicht nur sichern sollte, dass die Qualität der Waren gut bleibt und die Handwerker nicht bei ungenügend Licht arbeiteten, sondern die andererseits auch Wettbewerbs regulierend wirken sollte. Auch dämmte man damit z.B. die Herstellung von für den Handwerker nicht in den Gewerberegelungen zulässigen Waren im Schutz der Nacht ein und gewährleistete den Nachtruhe- oder Brandschutz.
Oft signalisiert eine Glocke das gemeinsame Ende und den gemeinsamen Beginn des Arbeitstages. In Wien ist beispielsweise die sogenannte Bierglocke (‚pirglocke‘) überliefert, die im 14. und 15. Jahrhundert die Nachtzeit einläutete und den Tavernenbetrieb beendete. Natürlich gab es auch Ausnahmen, z.B. für die Bäcker, deren Arbeit naturgemäß in der Nacht stattfand.
Auch der Menagier de Paris beschreibt den biphasischen Schlaf als besonders tugendhaft:
„You must arise in the morning – and morning means, with regard to the subject we are treating here, Matins. For just as we country folk describe the day as from dawn to night or from sunrise to sunset, clerks who are more subtle say that ist he artificial day, and that the natural day is 24 hours long and begins at midnight and ends at the following midnight. So that is why I explaned that morning refers to matins. I mention it because the Matins bell rings then to wake up the monks to say the Matins and praise God, and not at all because I wish to imply that you, dear one, or any married women, must get up at that hour. But I do want to have pointed it out, so that at the hour that you hear the Matins ringing, you praise and hail our Lord with some greeting or prayer before you fall back to sleep. To this purpose, proper orisons or prayers are included below. For either the hour of Matins or at daybreak, I have written down two prayers for you to adress our Lord and two others for our Lady, appropriate to say when waking up or arising from bed.“
Der Schreiber spricht hier also gezielt von einem kurzem Aufstehen zum Nachtgebet, der Matutin/Matins oder auch Vigil (ca 2 Uhr nachts) und vom endgültigen Aufstehen zum Tagesanbruch, also zur Laudes, dem Morgengebet (ca 6 Uhr morgens). Übrigens ist auch heute im Französischen der Morgen noch mit „matin“ bezeichnet.
Ein sehr interessanter Artikel zum Phänomen des biphasischen Schlafes findet sich auch hier.
Vom frühaufstehen
Das zeitige Schlafen gehen und das frühe Aufstehen sind auch im Mittelalter schon als Tugenden angesehen. Heinrich der Teichner schreibt über das frühe Aufstehen:
Daz man gern sol frue auf stan: so hat ein mensch die grozzen er von dem suessen got enphang und slaft doch nymmer ein tir so lang als der mensch slaffen tuet, daz auf erden lebt und pluet, daz ist dezs morgens diensthaft und in seiner pesten chraft. […] waz auf erden leben chan, daz furcht unsers herren pan smorgens harter denn gein abent. weil all priester mez habent gotez marter zu aim pild, so ist nyndert ain dinch so wild, ez hab die selben zeit in eren. da pey solt der mensch leren und prach seim slaff ab smorgens, weil man mezz hab. […] frue auf stan daz ist gesund nach dem leib nu mercht eben: man siecht nieman so lang leben als chloster laeut, muenich und nunn: die habent sich der mazz besunn, si legent sich zu rechter vrist und stent dann auf, als pilleich ist, so man got loben sol. daz gezimpt dem leib wol und behalt du sel dermit.
Und auch der Menagier de Paris widmet ein eigenes Kapitel dem frühaufstehen und lobt die Fleißigen, die früh aufstehen.
Wer schläft wie?
Wie der mittelalterliche Mensch schlief, das kam sehr stark auf seinen Status und Familienstand an. Beispielsweise kennen wir Berichte von Knechten, die mit einer einfachen Decke und einem Kissen auf der schmalen Eckbank in der Stube des Hauses schlafen mussten. Abbildungen und Texte zeigen uns, dass Mönche, die die Enthaltsamkeit üben, auf einfachen Stroh- oder Binsenmatten auf dem Boden schliefen, zugedeckt mit einer Decke und dazu ein Kissen. Auch ein auf den Boden gelegter Strohsack konnte eine einfache Variante des Bettes sein.
Handwerker und höher gestellte Mitglieder der mittelalterlichen Gesellschaft allerdings hatten wohl schon ein richtiges Bett. Auch hier entschied wieder der Geldbeutel, wie viel Komfort dieses bot. Beispielsweise war es nicht ungewöhnlich, dass man sich das Bett mit anderen Familienmitgliedern teilte und sehr oft war das Ehebett auch nicht das einzige Bett in der Schlafkammer.
Der Inhalt dieses Bettes konnte je nach Einkommensklasse von der Langstrohmatratze bis zur Feder- oder Haar gefüllten Matratze und von einer einfachen Wolldecke über Federbetten bis hin zu mit Pelz gefütterten Seidendecken gehen. Und oft sieht man auch schwere Vorhänge an den Betten wohlhabenderer Menschen um die Wärme im Bett zu behalten, aber auch um etwas mehr Privatsphäre zu gewinnen.
Bettzeug wurde neben Kleidung regelmäßig auch von Sterbenden in ihr Testament aufgenommen und dabei wurde den wichtigeren Erben das „gute Ziechen“ hinterlassen und weniger wichtigen die alte, abgenutztere Wäsche. Bettzeug gehörte also zu den wichtigeren Besitztümern in einem Haushalt und war deshalb oft Teil der Mitgift einer Braut.
Zu den Bestandteilen habe ich unten auch noch mal mehrere sehr interessante Artikel verlinkt.
Das Bett
Die Bestandteile eines Betts werden in vielen Textquellen beschrieben, können aber auch in zahlreichen Abbildungen ersehen werden. Häufig findet man folgenden Aufbau:
Hygiene und Ungeziefer im Bett
Die Füllung von Matratzen (und Betten) wurde natürlich regelmäßig gewechselt, in guten Haushalten mindestens 4 mal im Jahr, aber selbst in einfacheren Haushalten wohl mindestens einmal jährlich. Die Laken konnte man regelmäßig kochend heiß waschen und sie scheinen in spätmittelalterlichen Bildern von Waschtagen auch als eines der am häufigsten gezeigten Stücke beim Wäschebleichen auf der Wiese auf. Das half auch dabei, einen gewissen Hygienestandard zu halten.
Gegen Ungeziefer wie Bettwanzen und Flöhe ging man mit vielen Hausmitteln vor, z.B mit Vogelleim bestrichene Bretter oder stark riechende Substanzen (erwähnt wird beispielsweise Koreanderwasser). Auch Stechmücken und Fliegen waren ein häufiger Störfaktor in den Kammern, denn auch hier gibt z.B. der Menagier de Paris vom Ausräuchern über Moskitonetze bis hin zu einfachen Fliegenklatschen und Leimruten viele Tipps.
Zum Weiterlesen und Quellen:
Die Nacht im Mittelalter – Tzotcho Boiadjiev, Übersetzung von Barbara Müller, 2003
The Goodwife’s Guide – Le Menagier de Paris
Abbildungen mittelalterlicher Betten
Ein moderner Blick auf den biphasischen Schlaf
Segmented Sleep in Preindustrial Societies
Between the Sheets: Reading Beds and Chambers in Late-Medieval England
Weich gebettet – ein langes Kissen
Ferdinand Opll – Leben im mittelalterlichen Wien
Harry Kühnel – Alltag im Spätmittelalter
John Russel – the book of nurture
Über mittelalterliche Hauseinrichtung
Über das mittelalterliche Bett und seine Füllungen
Betten und Zubehör im Spätmittelalter
Betten fränkischer Fürsten im Spätmittelalter
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