Herrenhaarnetz oder Netz-Bundhaube

24.07.2016 von Rotschopf in Filetknüpfen/Netzen, Kleidung, Textilverarbeitung

Eigentlich war mein Plan ja ein ganz andrer. Nämlich ein normales Haarnetz für einen Mann zu machen. Vorbild war mir das Haarnetz aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, das dort als Männerhaarnetz eingeordnet worden war. Es hatte mit einem Scherz begonnen („Höhö, ein Männerhaarnetz, ich knüpfs, wenn dus aufsetzt!“ „Passt.“) und wurde dann bitterer Ernst. Karl, mein IG14-Kollege hatte  extra sein Haupthaar gezüchtet, damit wir das ausprobieren konnten.

Auf Nachfrage teilte man mir allerdings von Seiten des Museums mit, aufgrund eines Hochwassers in der Elisabethkirche vor der Aushebung des Landgrafengrabs, könne man nicht davon ausgehen, dass dieses Haarnetz explizit ein Männerhaarnetz ist, was auch in neueren Publikationen bereits so dargestellt wird. Aber die Haare sind da und wollen gebändigt werden!

Nun tat sich dann bei der Bildrecherche eine andre Möglichkeit auf. Auf diversen Abbildungen auch aus unserer Region kann man eine Art Bundhaube, aber nicht aus Stoff sondern aus Netzgeflecht erkennen, die unterm Kinn gebunden wird. (Fotos bitte anklicken für nähere Ansicht)

 

Sowie:

Konglike Bibliotek de Kopenhagen, Ms. 4 Bd. 1, f. 183r, 1255

St. Gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, VadSlg Ms. 321, f. 52 – Acta Sancti Petri in Augia, 13.-14. Jhdt

French Bible of Charles V 1372 Illumination on parchment Rijksmuseum, The Hague

Scenes of Country Life: Falconry 1343, Al secco painting and fresco, Chambre du Cerf, Papal Palace, Avignon

Altarpiece, 1340-45, Italian, Musée du Louvre, Paris

Ambrogio Lorenzetti, 1. Hälfte 14tes Jahrhundert, Italien

Deutschland um 1350, Dresdner Sachsenspiegel

 

Und Seifried Helbling beschreibt die Mode, Haarnetze zu tragen bei Männern so: „gestricket huben mit snüeren sih ich sumliche tragen“

Ich muss zugeben, mich hier auf relativ experimentellen Wegen zu bewegen, denn leider kenne ich in meinem Umkreis niemand, der ein Modell wie dieses rekonstruiert hat (bin dankbar für alle Hinweise!), ich halte mich also momentan nur an Abbildungen und hoffe, das historische Original damit gut zu treffen.

Gestaltet hab ich es – wie in diesem Post hier schon erklärt – in Filettechnik, die ich dann einfach in den „Rahmen“ eines Bundhauben-förmigen Bandes aus blauer Seide genäht habe. Die runde Form des Netzes ist vielleicht noch nicht ganz ideal für diesen Bundhaubentyp, sie sieht noch nicht ganz wie auf den Abbildungen aus. Daran arbeite ich noch, wenn ich noch mal eins machen sollte. Und noch muss das Haar etwas wachsen, damit wir die ganze Fülle des Netzes ausnutzen. Ich zeig es euch dann in zwei Monaten noch mal, wies mit mehr Haar ausschaut.

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Was meint ihr?

 

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