Abra Cadabra – Ein Zauberspruch für eine leichte Geburt

08.09.2023 von Rotschopf in Equipment und Sachkultur, Literatur und Quellenrecherche, Realien, Rekonstruktionen, Weiberzeug

Ich möchte euch heute ein neues Stück aus meiner Sammlung zum Thema Frau im Mittelalter zeigen. Frauenmedizin ist ja nicht so direkt mein Thema, tangiert aber meine Interessen natürlich ständig. Jüngst habe ich für ein Event begonnen, einen Schautisch zum Thema Frau im Mittelalter aufzubauen. Ich hatte schon viele Stücke von meinen vorherigen Themenprojekten, die ich dabei einbeziehen konnte, aber es gibt ja auch noch so viel mehr zu entdecken!

Wenn man heutigen Neopagan Kreisen nahe ist, könnte man das Gefühl bekommen, christliche Menschen hätten Magie in jeder Form abgelehnt, die Wahrheit ist aber sehr viel komplizierter, denn eigentlich lassen sich Magie wie wir sie heute verstehen und mittelalterliche Medizin oder mittelalterliche Wissenschaft und christlicher Glaube überhaupt nicht sauber trennen.

Die Vorlage für dieses Stück habe ich aus einem Werk des 15. Jahrhunderts, dem „Römischen Frauenbüchlein“ (Achtung, PDF Download startet bei Link anklicken!), einer gynäkologischen Sammlung, teils mit Anwendungen und Rezepten aus früheren Sammlungen, oft werden diese medizinischen Kompendien ja wieder und wieder neu kopiert und zusammengestellt, ergänzt oder gekürzt, wie es auch zB mit den „Trotula“ oder den „Secretis Mulierum“ der Fall ist.
Eine in diesem Büchlein zu findende Anwendung ist ein Zauberspruch für eine Gute Geburt. Der Spruch soll auf einen Brief geschrieben werden und der Frau um den Bauch gebunden während der Geburt, und danach direkt wieder entfernt werden.

„Wenne daz weib arbeit czu einen chinde daz sie senfte geber
Schreib die wort an einen briff vnd gurte in ir vmb den
bauch Septem dormentes maximianus machus moranonuis
dromsius iohannes seraphion constanaus vnd wenne
sie gebiert So heise ez ir balde ab tun ader es fure alles
von ir daz sie yn ir hete yndert bey ir hete ader yn ir“

(Rezept Nr. 36)

 

Der Spruch ist übrigens lateinisches Kauderwelsch und bedeutet nichts sinnvolles.

Übrigens ist dieses Stück hier vermutlich nah verwandt mit dem Phänomen der Geburtsgürtel aus dem Spätmittelalter. Diese Gürtel waren aus Pergament gefertigt und dafür zuständig, mit Geburtskomplikationen zu helfen. Und tatsächlich könnte dieses Rezept sogar einen solchen beschreiben, meine Interpretation ist bei weitem nicht die einzige Möglichkeit der Anwendung dieser Formel. Dieses Buch hier ist dazu gerade in Vorbereitung und ich hoffe es 2024 erstehen zu können.

Nun bin ich leider kein Profi in mittelalterlicher Schrift, ich habe ein in einer hochgotischen Bastarda/Notula/Kursive geübt (und verstehe ehrlich gesagt bis jetzt noch nicht die genauen Unterschiede zwischen diesen Formen. Ich hatte mir einfach Originale aus meinem Kulturraum und meiner Zeit angesehen und von diesen die Buchstaben nachzuahmen versucht). Ich bin gerne bereit, mir einzugestehen, dass ich vermutlich noch grauenvoll bin in der Nachahmung dieser Schriftarten und bitte schon jetzt um Milde bei der Beurteilung meiner Schreibkünste.

Verwendet habe ich Ziegenpergament, eine Feder und Gallustinte und dann habe ich seitlich noch Bändel eingezogen, um die Verwendung zu demonstrieren.

Ich denke, dieses Stück demonstriert recht gut diesen Aspekt mittelalterlichen Frauenlebens, das durch Schwangerschaft und Geburt stark geprägt war und die oftmals vorherrschende Hilflosigkeit der Involvierten bei Komplikationen mangels moderner medizinischer Versorgung und im Angesicht der hohen Sterblichkeitsraten im Kindbett.

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